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Vor 1918
Graz 1914 - Der Volkskrieg auf der Straße
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| Alltag und Einheitsprüfungen366 es auf der Strecke zu kleineren Auseinandersetzungen. Diese hatten eine enorme Nachbesprechung in den Zeitungen zur Folge. Dass der Arbeiterwille am 21.  Sep- tember konfisziert wurde, verschärfte die an und für sich schon angespannte Lage. Schuld an den Handgreiflichkeiten hatte laut Arbeiterwille das Bürgertum. Die bürgerlichen Zeitungen schoben die Schuld der Sozialdemokratie zu. Ferner spielte der Arbeiterwille in seiner Berichterstattung hinsichtlich des „Stiefel- wichspatriotismus“604 die Straßenvorfälle herunter, während die bürgerliche Presse die Auseinandersetzungen aufbauschte.605 Obendrein sahen sich die bürgerlichen Zeitungen in ihrer Annahme bestätigt, sich bewegende „Massen“ würden eine „Unordnung“ auf der Straße schaffen. Die Größenangaben in den Zeitungen vari- ierten stark. Die Untermauerung der eigenen Politik mittels untertriebener oder übertriebener Angaben von Teilnehmerzahlen praktizierte man auch damals. Die höchste von mir gefundene bürgerliche Schätzung stammte vom Tagblatt. Es be- maß die Zahl auf ungefähr 3.000 Sozialdemokraten.606 Dem Arbeiterwillen zufolge nahmen (mindestens) 6.000 Personen an der Demonstration teil.607 An der Art und Weise, wie der Arbeiterwille über das Militär in den Septembertagen (1903) schrieb, erkennt man sehr gut seine durchwegs ambivalente Haltung zur k.  u.  k.  Ar- mee. Wenngleich er stets pazifistische Grundstatements artikulierte, kritisierte er nie die k.  u.  k.  Armee zur Gänze. Missbilligt wurden von ihm lediglich Einzelas- pekte, beispielsweise die Form, wie die Armee und die Marine in mancherlei Hin- sicht strukturiert waren bzw. wie sie finanziert und geleitet wurden. Ebenso pran- gerte er die Soldatenmisshandlungen an.608 Aber keiner dieser Kritikpunkte führte zu einer Systemfrage, zumal die Sozialdemokratie vielen Gesetzesvorlagen, die unverkennbar die Militarisierung der Gesellschaft fortsetzten, zustimmte. Am deutlichsten drückte sich dies in ihrer Zustimmung zum Kriegsleistungsgesetz (1912) aus.609 Die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der Zivilbevölke- rung sowie die in den Zeitungen und im cisleithanischen Abgeordnetenhaus regel- mäßig kritisierten Soldatenmisshandlungen, Säbelaffären und Militärausgaben zeigen, dass die k.  u.  k.  Armee (inkl. ihrer Normen, Interessen und Praktiken) auch von vielen Menschen abgelehnt wurde.610 Programmatisch zusammengefasst wur- 604 Kritische Betrachtungen, in: Arbeiterwille, 22.9.1903, 1. 605 Die Demonstration der Sozialdemokraten, in: Grazer Tagblatt, 21.9.1903 (Abendausgabe), 2. 606 Ebd. 607 Die sonntägige Demonstration, in: Arbeiterwille, 22.9.1903, 3. 608 Für die Vorkriegszeit vgl. Kritische Betrachtungen, in: Arbeiterwille, 22.9.1903, 1. Für die Kriegs- zeit vgl. Strenge Ahndung von Soldatenmißhandlungen, in: Arbeiterwille, 14.2.1915, 10. 609 Das Kriegsleistungsgesetz galt anfänglich nur für Männer (ab 1917 galt es auch für Frauen). 610 Hämmerle (2005), 118 und (2007), 223.
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Graz 1914 Der Volkskrieg auf der Straße
Title
Graz 1914
Subtitle
Der Volkskrieg auf der Straße
Author
Bernhard Thonhofer
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln- Weimar
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20569-2
Size
17.4 x 24.5 cm
Pages
510
Keywords
Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
Categories
Geschichte Vor 1918

Table of contents

  1. Rahmenbedingungen 15
    1. Forschungsgeschichte 15
    2. Forschungsstand 25
    3. Fragenhorizont 35
    4. Erkenntnisbarrieren 36
    5. Mikrohistorie 40
    6. Vier Leitpanoramen 52
    7. Argumentationsstrang 65
  2. Sarajevoer Attentat und Graz 69
    1. Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
    2. Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
    3. Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
    4. Intensive Julipolemik 88
    5. Der „Demarche-Rummel“ 99
    6. Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
    7. Fallende Börsenkurse 110
    8. Ultimatum an Serbien 112
    9. Lokalisierungsfrage 116
    10. Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
    11. Zur Trauerstimmung 122
  3. Innenstadt und Bahnhof 135
    1. Kein Telefonnetz 135
    2. Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
    3. Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
    4. Offengelegte Zeitungspolitik 151
    5. Unklare Mobilisierungsplakate 154
    6. Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
    7. Grazer „Feldlager“ 166
    8. Die letzten Tage im Juli 170
    9. Großbritannien und Italien 176
    10. Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
    11. Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
    12. Abschiedsszenen 194
    13. Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
    14. Ein „Denkmalfrevel“ 212
    15. Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
    16. Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
    17. Präventivzensur 227
    18. Erste „Soldatenerzählungen“ 234
    19. Grazer Frauenhilfskomitee 245
    20. Transportkolonne am Bahnhof 252
  4. Alltag und Einheitsprüfungen 257
    1. Arbeitslosigkeit 257
    2. Andrang auf die Geldinstitute 267
    3. Ausstattungsfrage und Postämter 276
    4. Hamsterkäufe 284
    5. Mietzins 299
    6. Kirchen und Friedhöfe 303
    7. Verlustlisten 318
    8. Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
    9. Ausschreitungen 333
    10. Demonstrationen vor Geschäften 340
    11. Über die „Sprachbereinigung“ 346
    12. Modeboykott 354
    13. Soldaten abseits der Truppe 363
    14. Neue Wachposten 374
    15. Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
    16. Pfadfinder und Wandervogel 389
    17. Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
    18. Diebstahl und Betrug 404
    19. Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
  5. Schlussbetrachtung 423
    1. Stadtlandschaft im „Volkskrieg“ 423
    2. Grazer Einheitsbildung 428
    3. Einheitsgruppen 431
    4. Notwendige „Heimatfront“ 434
    5. Einheitsbrüche 436
    6. Einheitsprüfungen 439
    7. Entscheidungshilfen 444
    8. Thesen 450
  6. Anhang 453
    1. Tafelteil: Orte des Geschehens 453
    2. Abkürzungen 461
    3. Quellen 463
    4. Literatur 467
    5. Bildnachweis 503
    6. Register 504
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