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Neue Wachposten | 377
Zum Radfahrerkorps: Das Grazer freiwillige Radfahrerkorps setzte sich laut
Regierungskommissär „aus verschiedenen Ständen (Universitätsprofessoren, Ärz-
ten, Ingenieuren, Angestellten, Arbeitern) zusammen“.674 Geführt wurde es an-
fänglich von Oberstleutnant Franz Smutny. Eine erste Präsentierung und Prüfung
fand bereits Ende August auf dem Sportplatz in der Korösistraße statt. Nach den
ersten Ausfahrten, wie zum Beispiel nach Peggau oder nach Marburg (Maribor),
veranstalteten die uniformierten Korpsmitglieder Anfang September eine Parade
vor Kriegsminister Alexander von Krobatin in Wien. Krobatin war es letztendlich
auch, der zu Kriegsbeginn anordnete, dass alle Korpskommandos ein Radfahrer-
korps aufzubauen hatten. Beworben wurde es nicht nur von der Grazer Presse,
sondern auch der Steirische Radfahrergauverband appellierte an seine Mitglieder,
sich freiwillig dem Korps anzuschließen. Am Korps erkennt man durchaus An-
sätze einer milieuvermischenden Gruppenbildung, die mehrere Alterskohorten
umfasste und so der Einheitsbildung eine augenfällige, stabilisierende Basis von
„unten“ gab. Das Korps ging später in (größere) Bataillone auf und kam an die
Front.
Zum Motorfahrerkorps: Über das militärische Kraftfahrtwesen der Monar-
chie ist noch wenig bekannt.675 Seit 1903 setzte die Armee Autos und Motorrä-
der bei Manövern ein. Ihr zentraler Aufgabenbereich umfasste den Melde- und
Ordonnanzdienst. 1906 kam es zur Gründung eines k. k. freiwilligen Automo-
bilkorps, das unter dem Kommando des jeweiligen Automobilklub-Präsidenten
stand. Die Mitglieder des Automobilkorps verpflichteten sich, im Kriegsfall ih-
ren Dienst (mit ihrem eigenen Fahrzeug) bei der Armee zu leisten. 1908 entstand
dann das k. k. freiwillige Motorfahrerkorps. Ersten Recherchen zufolge stamm-
ten die Korpsmitglieder vorrangig aus dem bürgerlichen Mittelstand.676 Gemäß
der oben angeführten Tabelle verfügte das Korps im ersten Kriegsnovember über
96 Mitglieder. Über das k. k. freiwillige Motorfahrerkorps berichteten die Grazer
674 Grazer Stadtrat an Statthalterei-Präsidium, 4.9.1914, in: StLA, Statt. Präs. E91/2054/1914. Das
Radfahrerkorps taucht des Öfteren in den Zeitungen auf. Im Folgenden beziehe ich mich weit-
gehend auf: Das K. u. k. freiwilliges Militär-Radfahrer-Korps, in: Grazer Tagblatt, 30.8.1914, 3;
Die erste Präsentierung des k. u. k. Freiwilligen Radfahrer-Korps, in: Grazer Mittags-Zeitung,
1.9.1914, 2; Der steirische Radfahrergauverband, in: Grazer Tagblatt, 3.9.1914, 2; Die Parade des
steirischen Radfahrerkorps vor dem Kriegsminister, in: Grazer Volksblatt, 5.9.1914, 4; K. u. k.
freiw. Radfahrerkorps, in: Grazer Volksblatt, 11.9.1914, 5.
675 Vgl. einen ersten Überblick über das militärische Kraftfahrtwesen vor dem Ersten Weltkrieg in:
Wagner (1987), 474–476. Das Buch „Österreich-Ungarns Kraftfahrtformationen im Weltkrieg
1914–1918. Ein Beitrag zur Geschichte der Technik im Weltkrieg“ von Wilfried Schimon (2007)
stand mir nicht zur Verfügung.
676 Wagner (1987), 475.
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Graz 1914
Der Volkskrieg auf der Straße
- Title
- Graz 1914
- Subtitle
- Der Volkskrieg auf der Straße
- Author
- Bernhard Thonhofer
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln- Weimar
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20569-2
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 510
- Keywords
- Steiermark, Weltkrieg, Styria, Landeshauptstadt, Heimatfront, Kriegsbegeisterung, Burgfrieden
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Rahmenbedingungen 15
- Sarajevoer Attentat und Graz 69
- Vom „Balkanbrand“ 1912/13 69
- Der Begriff „Begeisterung“ in der politischen Sprache 76
- Grazer Gemeinderatswahlkampf 83
- Intensive Julipolemik 88
- Der „Demarche-Rummel“ 99
- Blick nach Ungarn und „Strafexpedition“ 105
- Fallende Börsenkurse 110
- Ultimatum an Serbien 112
- Lokalisierungsfrage 116
- Verregnete Grazer Straßen im Juli 119
- Zur Trauerstimmung 122
- Innenstadt und Bahnhof 135
- Kein Telefonnetz 135
- Abbruch der diplomatischen Beziehungen 138
- Die „patriotischen“ Straßenumzüge 144
- Offengelegte Zeitungspolitik 151
- Unklare Mobilisierungsplakate 154
- Antisozialdemokratischer Demonstrationszug 162
- Grazer „Feldlager“ 166
- Die letzten Tage im Juli 170
- Großbritannien und Italien 176
- Verspätete Zeitungen in der Provinz 185
- Nach dem Truppenabmarsch am 11. August 187
- Abschiedsszenen 194
- Kaiserfeiern rund um den 18. August 206
- Ein „Denkmalfrevel“ 212
- Kriegsdauer, Kriegsausgang und Kriegstechnologie 214
- Erste „Entscheidungsschlachten“ 222
- Präventivzensur 227
- Erste „Soldatenerzählungen“ 234
- Grazer Frauenhilfskomitee 245
- Transportkolonne am Bahnhof 252
- Alltag und Einheitsprüfungen 257
- Arbeitslosigkeit 257
- Andrang auf die Geldinstitute 267
- Ausstattungsfrage und Postämter 276
- Hamsterkäufe 284
- Mietzins 299
- Kirchen und Friedhöfe 303
- Verlustlisten 318
- Infiltrierendes „Spinnennetz“ 323
- Ausschreitungen 333
- Demonstrationen vor Geschäften 340
- Über die „Sprachbereinigung“ 346
- Modeboykott 354
- Soldaten abseits der Truppe 363
- Neue Wachposten 374
- Arbeiterhilfskorps für Graz und Umgebung 387
- Pfadfinder und Wandervogel 389
- Die „Soldatenspiele“ der Kinder 398
- Diebstahl und Betrug 404
- Verbliebene „Kriegsfreizeit“ 412
- Schlussbetrachtung 423
- Anhang 453