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Kommunen im Klimawandel | 27
PROBLEMATISIERUNG: VOM PHÄNOMEN ZUM PROBLEM
Government is a problematizing activity: […] In-
deed, the history of government might well be writ-
ten as a history of problematizations, in which politi-
cians, intellectuals, philosophers, medics, military
men, feminists and philanthropists have measured
the real against the ideal and found it wanting.
(Rose und Miller 1992: 181)
Nicht alles, was in einer Gesellschaft passiert, ist ein politisches Problem. Armut ist
bspw. kein Problem für eine Gesellschaft, die glaubt, dass die „Armen halt dazu ge-
hören“ – oder dass sie genau das bekommen, was sie verdienen. Armut wird erst
durch bestimmte Grundsätze zu einem Problem: Die Armen sind arm, weil sie unge-
recht behandelt wurden, oder die Gesellschaft sollte generell auf eine größere Gleich-
heit abzielen. Ebenso ist die Inflation kein Problem an sich. Inflation bedeutet nur,
dass die Preise steigen. Das ist zunächst ein Zustand und noch kein Problem. In man-
chen Kontexten kann die Inflation sogar eher als Abhilfe denn als Schwierigkeit an-
gesehen werden – z.B. als Weg zur Verringerung der öffentlichen Schuldenlast. In-
flation wird erst dann zu einem politischen Problem, wenn Preisinstabilität als
schlecht aufgefasst wird, weil sie etwa das Vertrauen der Anleger negativ beeinflusst,
weil sie bestimmte Formen von Privateigentum gefährdet oder weil sie Reichtum auf
gesellschaftlich unerwünschte Weise umverteilt. Kurz gesagt ist ein politisches Prob-
lem ein gesellschaftlicher Zustand, der bestimmte Logiken oder Rationalitäten nicht
erfüllt (Anderson 1978: 19).
Wie und weshalb sich die globale Erderwärmung zu einem kommunal zu regeln-
den und regierenden Problem entwickelte, ist daher eine wichtige Ausgangsfrage,
denn die Art und Weise, wie und warum Klimawandel zu einem Problem lokaler
Regierung gemacht wird, bestimmt darüber, welche Formen der Problemlösung er-
möglicht werden. Damit etwas regiert werden kann, muss zuerst ein aktuelles Phä-
nomen als Problem identifiziert und artikuliert werden, weshalb Rose und Miller
(1992) sowie auch Lemke (2011) Regieren als eine problematisierende Aktivität be-
schreiben, die untrennbar mit den Problemen verbunden ist, um die sie kreist, deren
Defizite sie zu beheben sucht und deren Übel sie heilen will. Das heißt, mit jedem
Regieren geht zunächst ein Problematisieren einher; oder wie Anderson (1978: 20)
treffend beschreibt: „Public problems are not just ‚out there‘ waiting to be dealt with.
Policy-making is not simply problem-solving. It is also a matter of setting up and
defining the problem in the first place.“
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315