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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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20 Akteure in Agrarsystemen Voluntarismus lässt sich alltägliches Wirtschaften als strukturierte und strukturie- rende Praxis begreifen.96 Ein Landwirtschaftsstil bezeichnet eine Ordnungsweise97 eines betrieblichen Agrarsystems, eine Verknüpfung unterschiedlicher, auch widersprüchlicher Ele- mente zu einem stimmigen Zusammenhang  – kurz, einen Versuch, ‚alles unter ei- nen Hut zu bringen‘ (Abbildung 1.2). Das „sozio-technische Netzwerk“98 des Wirtschaftsstils sucht Natur und Technik zu verknüpfen, Betriebs- und Familien- erfordernisse auszutarieren, Land- und Viehnutzung aufeinander abzustimmen, Geschlechter- und Generationenkonflikte zu moderieren, zwischen Gebrauchs- und Tauschwertproduktion zu balancieren, agrarische und nichtagrarische Tätig- keiten zu kombinieren, sich mit Marktkräften und Agrarpolitik zu arrangieren und so fort. Das alltägliche Verknüpfen, Austarieren, Abstimmen, Moderieren, Ausba- lancieren, Kombinieren und Arrangieren konfiguriert die Eigenlogik materieller, sozialer und symbolischer Systemelemente  – von ‚Dingen‘, ‚Menschen‘ und ‚Ideen‘  – zu einem innerlich kohärenten und nach außen hin distinktiven Land- wirtschaftsstil.99 Dieser von der Akteur-Netzwerk-Theorie100 angeleitete Zugang eröffnet einen praxeologisch gewendeten System- und Strukturbegriff : Agrarsys- teme und deren Strukturen gewinnen Gestalt gegenüber ihrer naturalen und sozi- alen Umwelt erst über die Kohärenz und Distinktion stiftende Praxis von Akteu- ren.101 In Abwandlung eines alltagshistorischen Leitmotivs lässt sich sinngemäß sagen : Die Akteure machen ihre Agrarsysteme nicht aus freien Stücken, aber sie machen sie selbst.102 Van der Ploeg hat Landwirtschaftsstile nicht nur theoretisch bestimmt, son- dern auch empirisch erprobt. In seiner Studie über niederländische Milchbauern in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ordnet er deren Wirtschaftsstile entlang der Achsen der Produktion (arbeits- versus technikorientiert) und der Reproduk- tion (autonom versus marktabhängig) an : economical farmers (eher arbeitsorientiert und autonom), machinemen (eher arbeitsorientiert und marktabhängig), cowmen (eher technikorientiert und autonom) und vanguard farmers (eher technikorien- tiert und marktabhängig).103 Die realisierten Wirtschaftsstile korrespondieren mit den Idealtypen des peasant und entrepreneurial mode of farming : economical farmers als „bäuerlicher“ Stil, machinemen und cowmen als Zwischenformen und vanguard farmers als „unternehmerischer“ Stil.104 Diese Typologie ist keinesfalls allgemein- gültig, sondern hängt an den Besonderheiten von Untersuchungszeit und -raum ; jede Untersuchung  – und erst recht eine historische  – muss daher die jeweiligen Wirtschaftsstile explorativ, aus ihrem Gegenstand heraus entwickeln.105 Die von Akteuren praktizierten, eher unternehmerisch oder eher bäuerlich orientierten Landwirtschaftsstile bewegen sich nach Geoff A. Wilson auf einer Skala mehr oder weniger produktivistischen Denkens und Handelns.106 Jede Posi-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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