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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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39Die Konstruktion des „Hoforganismus“ die Ansätze Laurs und Tschajanows, einige Facetten bäuerlichen Wirtschaftens wie die enge Verflechtung betrieblicher und familiärer Momente, die der klassi- schen Betriebslehre entgingen. Demzufolge seien die bäuerlichen Familien wie die Agrarpolitik insgesamt bestrebt, die zyklisch wiederkehrenden Täler der „Schick- salskurve“ abzuflachen und die Spitzen auszunutzen : durch „Forcierung der Fa- milienarbeit“  – die Steigerung der Arbeitsanstrengung, die vor allem bei Frauen und Kindern zu dauernden Schäden führen könne ; durch frühe Hofübernahme, die dem Jungbauern die Arbeitskraft der Übergebenden sichere ; durch Anpassung des Verhältnisses der Kulturarten, der Ackerfrüchte und der Generationen von Rindern, etwa der Anteile der Ackerfläche, der Hackfruchtfläche oder der Kühe ; durch Veränderung der Flächenausstattung mittels Pachtung oder Verpachtung ; durch außerbetriebliche Erwerbsarbeit in der Landwirtschaft (Taglohn-, Saisonar- beit, Gelegenheitsfuhrwerk usw.) oder anderen Wirtschaftszweigen (Hausgewerbe, Industrie, Fremdenverkehr usw.) ; durch Aufnahme familienfremder Arbeitskräfte, die jedoch erfahrungsgemäß so lange als möglich hinausgeschoben werde ; durch Einsatz arbeitssparender Maschinen, vor allem solcher, mit denen die Einstellung der ersten familienfremden Arbeitskraft angewandt werden könne. Der agraris- tische Zug dieses Entwurfes war mit einem rassistischen verwoben : All diese Strategien zeigten, „daß Hof und Familie eine untrennbare Einheit bilden und daß dementsprechend die agrarwirtschaftlichen Probleme innig verflochten sind mit den Leistungen, die das Bauerntum in blutsmäßiger Richtung entwickelt [Hervorhebung im Original]“.17 Was lag näher, als die Verwurzelung des „Hoforganismus“ im Boden nicht nur theoretisch zu debattieren, sondern auf Basis der seit dem späten 19. Jahrhun- dert expandierenden Agrarstatistik auch empirisch zu fassen ? Gemäß des vor- herrschenden Interesses der zeitgenössischen Agrarökonomie an der Nutzung des Bodens im Allgemeinen und des Ackerlandes im Besonderen18 wurden für einzelne Regionen, Staaten oder die gesamte Welt „Landbauzonen“ abgegrenzt und meist kartographisch dargestellt.19 Hinsichtlich der organismustheoretischen Bezüge und der empirischen Basis ragen zwei deutsche Beiträge aus den 1930er Jahren heraus : die Karte der Grundlagen der deutschen Landwirtschaft nach Gebie- ten ähnlicher Betriebsformen 1934 von Heinrich Niehaus, einem Mitarbeiter Max Serings, und die Karte der Landbauzonen Deutschlands 1936 von Wilhelm Busch, einem Mitarbeiter Theodor Brinkmanns. Niehaus unterschied auf dem Gebiet des Deutschen Reiches sieben Zonen ähnlicher Betriebsformen : das nordwestdeut- sche Grünlandgebiet, das süddeutsche Grünlandgebiet und die feuchten Höhen des Mittelgebirges, das Futterbaugebiet an der Ostsee, das ostdeutsche Roggen- Kartoffelgebiet, die Weizen-Gerste-Zuckerrübenzone mit den besten Ackerböden Deutschlands, die südwestdeutschen Tal- und Beckenlandschaften im Weinbau-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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