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52 Anatomie eines „lebenden Organismus“
löhnergesellschaft“ weniger mit dem Wein-, als mit dem Ackerbau ; in den Regi-
onen mit Weinbauschwerpunkt trat hingegen die Besitzerfamilie – und damit die
„Smallholder-Gesellschaft“57 – anteilsmäßig hervor.
Tabelle 2.2 : Betriebe nach Agrarsystem-Großregionen in Niederdonau 1939
Agrarsystem-Großregion (zugehörige Kreise) Betriebe
BetriebsflächeAnz.
% ha %
Familien-Taglöhnerbetrieb mit Ackerbauschwerpunkt
(Bruck/L., Gän sern dorf, Hollabrunn, Korneuburg, Mistelbach
und Tulln) 63.729 32,2 565.576 25,6
Familienbetrieb mit Weinbauschwerpunkt (Eisenstadt, Krems,
Nikolsburg, Oberpullendorf und Znaim) 56.433 28,5 415.360 18,8
Familien-Gesindebetrieb mit intensiver Mischwirtschaft
(Amstetten, Horn, Melk, St. Pölten, Scheibbs, Waidhofen/Th.
und Zwettl) 50.748 25,7 757.073 34,2
Familien-Gesindebetrieb mit extensiver Mischwirtschaft
(Baden, Gmünd, Lilienfeld, Neubistritz, Neunkirchen und Wr.
Neustadt) 26.876 13,6 473.112 21,4
Summe 197.786 100,0 2.211.121 100,0
Quelle : eigene Berechnungen (Hauptkomponentenanalyse und Agglomerative Hierarchische Cluster-
analyse, Datenmatrix : 16 Merkmale über 24 Kreise) nach Statistisches Amt für die Reichsgaue der
Ostmark (Hg.), Betriebe.
Teils folgt diese Einteilung der zeitgenössischen Gliederung Niederdonaus nach
„natürlichen Landschaften“ und damit deckungsgleichen Produktionsgebieten ;
teils weicht sie davon ab (Abbildung 2.4).58 Auffällig ist die ringähnliche An-
ordnung der Agrarsystem-Großregionen um Wien mit abnehmender Landnut-
zungsintensität ; folglich dürften darauf neben naturräumlichen Momenten – Re-
lief, Klima, Boden usw. – auch sozialräumliche Momente, etwa die Anbindung an
das Marktzentrum Wien, einwirken.59 Solche Abhängigkeiten stellt auch Ludwig
Löhr in seiner Agrarraumgliederung heraus. Einerseits leitet er die Größen- und
Kulturartenverhältnisse von den Naturbedingungen ab ; andererseits führt er für
die Erzeugungs- und Vermarktungsschwerpunkte auch die Verkehrsanbindung an
Verarbeitungsbetriebe und Verbraucherzentren ins Treffen. Im Nordalpen- und Al-
penvorland tritt auf flächengroßen Betrieben bei gleichen Anteilen von Acker- und
Grünland der Wald hervor ; darin drücken sich die verminderte Bodenfruchtbar-
keit
– gekennzeichnet durch „zumeist dürftige, seichte und wasserdurchlässige Bö-
den auf Gehängeschutt“, durchsetzt von „Böden von größerer Fruchtbarkeit“ auf
Lehm und Ton
– und das niederschlagsreiche „Bergklima“
– gekennzeichnet durch
„relativ milde Winter und kühle Sommer“
– aus. Aufgrund mangelhafter Verkehrs-
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937