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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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54 Anatomie eines „lebenden Organismus“ des Hervortretens des Ackerlandes bildet eine Mischung aus Vieh- und Milchver- marktung sowie Roggen-, Hafer- und Kartoffelverkäufen die Einkommensbasis. Eine gänzlich andere Welt tut sich in der östlichen Beckenlandschaft auf : Auf vergleichsweise kleinen, aber ertragreichen Betriebsflächen treten die Äcker, vor- wiegend zum Weizen-, Gerste- und Zuckerrübenbau, sowie, je nach regionalen Gegebenheiten, die Weingärten hervor. Das östliche Flach- und Hügelland „zeigt, bodenkundlich gesehen, große Mannigfaltigkeit“ : Lössdecken, stellenweise auch Schwarzerden im Norden ; seichte, kalkhaltige, sandige Lehmböden auf Schotter- grund im Marchfeld ; Braun- und Schwarzerden, Schwemm- und Humusböden neben Lössen südlich der Donau ; Niederungsmoore und Salzböden im Winkel östlich des Neusiedlersees. Die pannonischen Klimaeinflüsse  – Niederschlagsarmut und Austrocknung durch kontinentale Winde  – werden durch den Hügelcharakter im Norden und den klimaausgleichenden Neusiedlersee im Süden etwas gemildert. Zusammen mit der natürlichen Gunstlage begünstigt die enge Verkehrsanbindung an die Millionenmetropole Wien und das Industriegebiet entlang der Südbahn als „überragendes Konsumzentrum“ sowie an die regionalen Verarbeitungsbetriebe (Zucker- und Stärkefabriken, Brennereien, Mühlen usw.) die Marktfruchterzeu- gung.60 Die Arbeitsverfassung erscheint bei Löhr eng an die sich aus Natur- und Ver- kehrslage ergebenden land- und forstwirtschaftlichen Produktionsschwerpunkte gekoppelt : einerseits die Taglöhner-Gesinde-Wanderarbeiterverfassung, die Taglöh- ner-Deputat-Wanderarbeiterverfassung oder, vor allem in nutzviehschwachen oder nur auf Rindermast abgestellten Großbetrieben, die reine Wanderarbeiterverfassung der Acker- und Weinbauwirtschaften in der östlichen Beckenlandschaft ; anderer- seits die Gesinde-Taglöhnerverfassung der Acker-, Grünland- und Waldwirtschaf- ten im Nordalpen- und Alpenvorland sowie im Bergland des Waldviertels, die sich in der westlichen Beckenlandschaft Oberdonaus zur reinen Gesindeverfassung ausprägt.61 Obwohl diese Agrarraumgliederung dem Ökotypen-Modell ähnelt, geht sie doch entscheidend darüber hinaus. Sie folgt gedanklich einer Wirkungs- kette, die sich von den „natürlichen Landschaften“ über die Produktionsgebiete bis zur Arbeitsverfassung spannt ; sie leitet Soziales ökonomisch und Ökonomisches ökologisch ab, um es in einem als Behälter gedachten „Lebensraum“ festzuma- chen.62 Zudem enthält dieser Raumentwurf, über eine bloße agrarökonomische Beschreibung hinaus, auch eine agrarpolitische Wertung : Während die „Gesin- deverfassung“ im westlichen Oberdonau der „gesunde[n] Grundbesitzverteilung“ zugutezuhalten sei, folgten die Taglohn- und Saisonarbeit im östlichen Niederdo- nau einer „unerwünschte[n] Grundbesitzverteilung“.63 Erkenntnisleitend ist hier offenbar das Modell des vollbäuerlichen Familienbetriebes mit ganzjährig beschäf- tigter Landarbeiterschaft.64 Vereinfachende Schlüsse dieser Art argumentieren zu-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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