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62 Anatomie eines „lebenden Organismus“
im Alpenvorland (N = 22), (6) Getreidewirtschaften im Alpenvorland (N = 23), (7) Getreidewirtschaf-
ten im östlichen Flach- und Hügelland (N = 22), (8) Hackfruchtwirtschaften im östlichen Flach- und
Hügelland (N = 13), (9) Getreide-Weinbauwirtschaften im östlichen Flach- und Hügelland (N = 61),
(9a) 2–10 ha, (9b) 10–20 ha, (9c) 20–30 ha, (9d) über 30 ha, (10) Hackfrucht-Weinbauwirtschaften im
östlichen Flach- und Hügelland (N = 13), (11) Weinbauwirtschaften im östlichen Flach- und Hügel-
land (N = 10)
Anmerkung : Rohertrag – Aufwand = Reinertrag ; Reinertrag + Lohnanspruch = Freieinkommen ; Frei-
einkommen – Ausgedinge – Schuldenzinsen = landwirtschaftliches Einkommen ; landwirtschaftliches
Einkommen + Nebeneinkommen = Gesamteinkommen ; Gesamteinkommen – Verbrauch = Ersparnis.
Quelle : LBG (Hg.), Lage 1937, 59 f., 83 f.
„Es Wird ihnen Komisch Forkommen wen ich Schreibe das ein Bauer mit 13 ha
Grund Ferhungern tud aber bei den ist es wirklich der Fall, 3 Kinder was schon ganz
Unterernährt sind und Je[t]zt vor der Frühjahrs Anbauzeit steht keinen Sammen hat
und keinen zug. Da er Notgetrungen im Herbst das Bischen was er Geerntet hat
ferkaufen mus[s]te um [h]albwegs das er mit seiner Familie das Leben weiterfristen
kon[n]te aber jetzt steht er am Le[t]zten end er hat keine Schweine keinen Vi[e]h-
stand sein ganzes sind Zwei Alte Kühe.“78
Das Interventionsschreiben an die Kreisbauernschaft diente zur Beschleunigung
öffentlicher Hilfeleistungen, um die Aufgabe des Hofes durch den Besitzer abzu-
wenden ; denn : „Mit meinen Trost ist i[h]m nicht mehr geholfen.“79 Hier kommt
gewiss ein krasser Ausnahmefall zur Sprache ; doch angesichts der tendenziell
beschönigenden Buchführungsstatistik ist anzunehmen, dass „Überarbeit“ und
„Unterkonsumtion“ kleinbäuerlicher Haushalte80 in Krisenzeiten in Waldviertler
Futterwirtschaften und anderen Betrieben in niederösterreichischen Ungunstlagen
während der 1930er Jahre die Regel waren.
Die Buchführungsstatistik folgte dem Zweck, Reinerträge und Einkommensar-
ten der Landwirtschaftsbetriebe zu bemessen ; sie liefert aber auch die Mittel für
eine agrarsystemische Betrachtung. Die Angaben über Bodennutzung, Viehstand,
Maschinen- und Gerätebestand sowie Arbeitskräftebesatz wurden nach den Be-
triebstypen der vier Produktionsgebiete aggregiert ; dadurch lassen sich regionale
Agrarsysteme in Niederösterreich weitaus differenzierter betrachten, als dies mit-
tels der Betriebszählungsergebnisse 1939 möglich ist. Zudem bietet die Rentabi-
litätsstatistik Angaben über Inputs und Outputs, den Aufwand und die Markt-
leistung ; darüber bekommen wir die Verflechtungen des landwirtschaftlichen
Haushalts-Betriebs-Systems mit vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen in
den Blick. Einen Schritt in Richtung einer derartigen Agrarsystem-Perspektive
unternimmt ein Diagramm in der LBG-Publikation (Abbildung 2.6). Es schlüs-
selt für jeden Betriebstyp Kulturarten- und Anbauverhältnis, Arbeitskräfte- und
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937