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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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70 Anatomie eines „lebenden Organismus“ Während Kahler den Vorrang der „naturgesetzlichen Gegebenheiten“ vor dem menschlichen „Bedarf und Wollen“ als Ergebnis der Untersuchung darstellte, wer- tete sein Mitarbeiter Josef Bergmann, dem die Durchführung oblag, das durch Klima und Boden bestimmte Pflanzenwachstum als „wichtigste[n] Ausgangspunkt für die Gliederung nach landwirtschaftlichen Produktionsgebieten“.93 Dieser Wi- derspruch folgte aus dem theoretischen Postulat der „räumlichen Gebundenheit“ der Agrarsysteme, das auf Basis der betrieblich, lokal und kleinregional stark streuenden Betriebsdaten offenbar empirisch kaum einzulösen war. Als Ausweg aus diesem Dilemma bot sich die Orientierung an der pflanzenkundlichen Glie- derung Nieder- und Oberösterreichs in eine pannonische, untere und obere balti- sche, subalpine und alpine Vegetationsstufe an ; sie bildete die Folie für die weiteren Projektionen : „In sie wurden alle übrigen Beobachtungselemente (orographische, geologische, klimatologische, Viehhaltung, Siedlungs- und Rechtsverhältnisse) hi- neinprojiziert, so dass aus dieser Gesamtschau die vorliegenden landwirtschaftli- chen Produktionsgebiete mit ihren Unterbezirken erwuchsen.“94 Die organische Metapher vom „Erwachsen“ der agrarräumlichen Gliederung aus den Klima- und Bodenbedingungen stellt die Dinge auf den Kopf ; von Grund auf besehen, er- scheint die im Nachhinein hergeleitete Naturabhängigkeit der Agrarsysteme der Landesbauernschaft Donauland als anthropogene Voraussetzung. Einer zwangsläufigen Logik der „fast zwingende[n] Einheit“ 95 von Natur- und Wirtschaftsraum entsprechend, bildeten die Gemeinden der Landesbauernschaft Donauland auf Basis der Bodennutzungserhebung und Viehzählung 1939 sieben Produktionsgebiete, die aus 23 Unterbezirken mit insgesamt 109 Sprengeln be- standen : A Pannonisches Flachland (A1 Marchfeld, A2 Wienerbecken, A3 Neu- siedlerseegebiet, A4 Steinfeld und A5 Kremser-Tullnerbecken), B Pannonisches Hügelland (B1 Südmähren, B2 Weinviertel und Horner Becken und B3 Oberpul- lendorfer Winkel), C Weinbaugebiete, D Flach- und Hügelland südlich der Donau (D1 St. Pöltner Becken, D2 Donau-Traunbecken, D3 Inn-Niederung, D4 Ge- biet von Melk-Amstetten und D5 Hügelland des Inn- und Hausruckviertels ein- schließlich des engeren Alpenvorlandes), E Wiener Wald, F Voralpen- und Alpenge- biete (F1 Bucklige Welt und Wechselgebiet, F2 Kalkalpen, F3 Salzkammergut und F4 Mondseerland) und G Wald- und Mühlviertel (G1 Waldviertel einschließlich Dunkelsteiner Wald und Frainerspitz, G2 Mühlviertel einschließlich Sauwald, G3 Höhenlagen über 750 bis 800 Meter und G4 Ausläufer des böhmischen Beckens). Zwar wurden die Betriebsformen „überall da, wo Abweichungen von den Gebie- ten einheitlicher natürlicher Produktionsbedingungen festgestellt werden konnten und soweit solche bekannt waren, bei der Bildung der Wirtschaftsgebiete voll be- rücksichtigt“, wie etwa bei den Weinbaugebieten ; doch blieben „alle Sonderheiten kleiner Gebietsteile, der besonderen Verkehrslage oder sporadischer Betriebsweise“
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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