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72 Anatomie eines „lebenden Organismus“
der Viehhaltung, bedingt durch das Vorherrschen des Ackerbaus, das Schlusslicht ;
damit korrespondierte die geringe Grünland- und Feldfutterfläche, die zur Versor-
gung der Pferde als wichtigste Zugkraftlieferanten diente. Das Vorherrschen der
Kleinbetriebe kommt auch in der vergleichsweise geringen Arbeitskräftezahl pro
Hof im Hügelland und in den Weinbaugebieten zum Ausdruck. Der verhältnis-
mäßig geringe Anteil familienfremder Arbeitskräfte, vor allem im Pannonischen
Hügelland, verweist auf die familienwirtschaftliche Ausrichtung der Betriebe. Der
relativ hohe Anteil der nichtständigen Arbeitskräfte, vor allem Taglöhner/-innen
und Saisonarbeiter/-innen, scheint durch die extremen Arbeitsspitzen im Wein-
und Ackerbau bedingt. Die hohe Dichte ausländischer Wanderarbeiter/-innen, vor
allem im Pannonischen Flachland, verdeutlicht die Abhängigkeit der Getreide-
und Hackfruchtbetriebe von saisonalen, nicht ortsansässigen Arbeitskräften.100 In
der auf eine Arbeitskraft entfallenden Nutzfläche kommt die hohe Arbeitsinten-
sität im Pannonischen Hügelland und in den Weinbaugebieten zum Ausdruck ;
dagegen war vor allem im Pannonischen Flachland der Einsatz arbeitssparender
Maschinen bereits vorangeschritten.101
Die Hofgrößen im Waldviertel (G) lagen im Durchschnitt der Reichsgaue Nie-
derdonau und Wien. Wegen des überdurchschnittlichen Waldanteils umfasste die
Nutzfläche nur sieben Zehntel der Kulturfläche. Davon wurden etwas mehr als
die Hälfte als Ackerland und etwas weniger als die Hälfte als Grünland genutzt.
Die Bodennutzungsintensität lag, auch wegen der regional wechselnden Boden-,
Klima- und Reliefbedingungen, deutlich unter dem Durchschnitt. Dagegen fiel die
Intensität der Viehhaltung, die Hand in Hand mit einer überdurchschnittlichen
Futterfläche für die hervortretenden Rinderbestände ging, höher als im gesamten
Reichsgau aus. Die Arbeitskräftezahlen dieses Produktionsgebietes lagen, auch be-
dingt durch die geringe Bodennutzungsintensität, unter dem Durchschnitt. Auf-
fällig ist der geringe Anteil ständiger und nichtständiger Fremdarbeitskräfte, der
auf den familienwirtschaftlichen Charakter der Betriebe hinweist. Die Arbeitsin-
tensität fiel im Waldviertel, bedingt durch die höheren Wald- und Grünlandanteile
und den geringen Mechanisierungsgrad, unter den Gesamtdurchschnitt.102
Im Flach- und Hügelland südlich der Donau (D) lagen die Hofgrößen etwas unter
dem Durchschnitt. Acht Zehntel der Kulturfläche dienten als landwirtschaftliche
Nutzfläche. Davon wurden sechs Zehntel unter den Pflug genommen ; die übrige
Nutzfläche umfasste, neben dem unbedeutenden Weinbau, Wiesen, Weiden und
Obstgärten. Die Intensität der Bodennutzung fiel wegen des hohen Grünlandan-
teils unterdurchschnittlich aus. Hingegen verfügten die Höfe über den höchsten
Viehbesatz aller Produktionsgebiete. Die überdurchschnittlichen Betriebsgrößen
und der Vorrang der Viehhaltung schlugen sich in Spitzenwerten hinsichtlich
der Arbeitskräfte pro Hof nieder. Die Viehhaltung, vor allem die Betreuung des
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937