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84 Anatomie eines „lebenden Organismus“
die Hauptrolle, wobei mit zunehmender Betriebsgröße Weinbauwirtschaften und
Hackfrucht-Weinbauwirtschaften zugunsten von Getreide-Weinbauwirtschaften
zurücktraten. Die Bodennutzung in Auersthal am Übergang von Pannonischem
Flach- und Hügelland ähnelte in vielerlei Hinsicht dem Raggendorfer Muster.
Hier fanden sich jedoch unter den Zwerg- und Kleinbetrieben, ähnlich dem Wei-
kendorfer Muster, weniger Weinbauwirtschaften – ein Befund, der wegen der lü-
ckenhaften Dokumentation der Betriebe unter fünf Hektar in dieser Gemeinde
jedoch mit einem Fragezeichen versehen ist (Abbildung 2.13).
Im Vergleich zur Region Matzen verschoben sich im Flach- und Hügelland
südlich der Donau, vertreten durch den AGB Mank, die Arrangements von Be-
triebsgrößen und -typen. Die mehr grünlandwirtschaftlich und mittelbetrieb-
lich ausgerichtete Bodennutzung fand ihren Ausdruck im Überwiegen der Fut-
terwirtschaften mit 264 von 619 oder 43 Prozent sowie der Betriebe zwischen
zehn und 20 Hektar mit 157 von 619 oder 25 Prozent. Die Aufgliederung nach
Betriebsgrößen und -typen zeigt unterschiedliche Gewichtungen : Die unter den
Zwergbetrieben überwiegenden Hackfruchtwirtschaften traten in den folgenden
Betriebsgrößenklassen mehr und mehr zurück. Nahezu im selben Maß stiegen die
Anteile der Getreidewirtschaften. Die Anteile der Futterwirtschaften schwank-
ten zwischen einem Fünftel und der Hälfte ; nur unter den größeren Betrieben
verloren sie geringe Anteile an die Grünland-Waldwirtschaften. Wie bereits an
der Region Matzen gezeigt, eröffnet auch hier erst der Wechsel vom regionalen
zum lokalen Blickwinkel die unterschiedlichen Arrangements betrieblicher Agrar-
systeme. Ein Ende des Spektrums vertraten die Katastralgemeinden von St. Le-
onhard am Forst – der Markt, Grimmegg, Pöllendorf und Ritzengrub126 – sowie
Bischofstetten am flacheren Nordrand der Region : Von den kleineren zu den grö-
ßeren Betrieben fortschreitend, nahmen die Anteile der zunächst vorherrschenden
Hackfruchtwirtschaften ab – zunächst zugunsten der Futterwirtschaften, bevor
die Getreidewirtschaften zum bestimmenden Betriebstyp aufrückten. Das andere
Ende des Spektrums markierten die hügelig gelegenen, teils ins voralpine Bergland
übergehenden Gemeinden Plankenstein, St. Gotthard und Texing am Südzipfel
der Region : Hier waren Getreidewirtschaften die Ausnahme. In der Regel über-
wogen unter den Betrieben mit weniger als einem Hektar die Hackfruchtwirt-
schaften, die mit steigender Betriebsfläche schrittweise zugunsten der Futterwirt-
schaften zurücktraten (Abbildung 2.14).
Wie der Blickwechsel von Matzen zu Mank eröffnet auch jener zum AGB Lit-
schau im Waldviertel eine neue Welt, diesmal geprägt von den Mehrheiten der
Hackfruchtwirtschaften mit 355 von 450 oder 79 Prozent sowie der Betriebe zwi-
schen zwei und fünf Hektar mit 126 von 450 oder 28 Prozent. Nach Betriebsgrö-
ßen und -typen unterschieden, erweist sich die Kulturfläche von zehn Hektar als
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937