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94 Anatomie eines „lebenden Organismus“
ist eine Variante des Smallholder-Profils mit durchschnittlichem Taglöhneranteil
(> < =). Erst das nächste Profil mit 118 Betrieben oder 8 Prozent mit vermin-
derter Gesinde- und erhöhter Taglohnarbeit (= < >) entspricht der „Taglöhner-
gesellschaft“. Das Gegenprofil, die „Gesindegesellschaft“, bilden die folgenden
115 Betriebe oder 7 Prozent, gekennzeichnet durch verminderte Anteile ständiger
Familienarbeitskräfte und vermehrte Anteile ständiger Fremdarbeitskräfte (< > =).
Auch die folgenden beiden Arbeitszeitprofile mit 98 Betrieben oder 6 Prozent
(< > <) bzw. 31 Betrieben oder 2 Prozent (< < >) stellen Varianten der „Gesinde-“
bzw. „Taglöhnergesellschaft“ dar (Abbildung 2.17).139
Um den vom Ökotypen-Modell behaupteten Zusammenhang von Wirtschafts-
weise, Arbeitsorganisation und Haushaltsform zu prüfen, schwenken wir wiede-
rum zur regionalen Ebene (Tabelle 2.10). In der Region Matzen waren zwei Va-
rianten des Smallholder-Profils – die größte Gruppe von 262 Betrieben oder 54
Prozent (> < <) sowie die drittgrößte Gruppe mit 45 Betrieben oder 9 Prozent
(> < =) – in der Überzahl ; darunter traten die Zwerg- und Kleinbetriebe sowie
teils die Hackfrucht-Weinbau- und Hackfruchtwirtschaften, teils die Getreide-
Weinbauwirtschaften hervor. Hingegen zeichneten die zweitgrößte Gruppe mit
68 Betrieben oder 14 Prozent verminderte Familien- sowie erhöhte Gesinde- und
Taglöhneranteile aus ; sie zeigt ein mittel- und großbetriebliches und getreidebau-
liches Gepräge. Das Taglöhner-Profil (= < >) mit 39 Betrieben oder 8 Prozent
hatte ebenso wie das Gesinde-Profil (<
>
<) mit 28 Betrieben oder 6 Prozent einen
mittelbetrieblichen und weinbaulichen Schwerpunkt. Vom Ökotypen-Modell aus
betrachtet überraschen die starken Ähnlichkeiten dieser beiden, hinsichtlich Be-
triebsgröße und -typ unterschiedlichen Profile : Das behauptete Band zwischen
Wirtschaftsweise, Arbeitsorganisation und Haushaltsform hält dieser Prüfung
nicht stand ; vielmehr gingen in der Region Matzen Anfang der 1940er Jahre ähn-
liche Betriebsgrößen und -typen mit unterschiedlichen Arbeitszeitprofilen einher.
Freilich dürfen wir nicht von einer Region auf ganz Niederdonau schließen ;
setzten wir daher die Überprüfung des Ökotypen-Modells in Mank fort. Auch
hier rangieren Varianten des Smallholder-Profils
– die größte Gruppe mit 203 Be-
trieben oder 33 Prozent (> < <) und die drittgrößte Gruppe mit 97 Betrieben oder
16 Prozent (> < =) – ganz vorne. Erstere war zwerg- und kleinbetrieblich sowie
hackfruchtwirtschaftlich, letztere mittelbetrieblich und futterwirtschaftlich akzen-
tuiert. Dahinter folgt das gegensätzlich konturierte Gesinde- und Taglöhner-Profil
(< > >) mit 116 Betrieben oder 19 Prozent, die in mittleren und größeren Betrie-
ben sowie Getreidewirtschaften ihren Schwerpunkt hatten. Dahinter rangiert das
Taglöhner-Profil (=
<
>) mit 69 Betrieben oder 11 Prozent und das Gesinde-Profil
(< > =) mit 56 Betrieben oder 9 Prozent. Während beide mittelbetrieblich geprägt
waren, unterschieden sie sich hinsichtlich des dominanten Betriebstyps : Die Be-
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937