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109Im
Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens
durchschnittlichen Taglöhneranteil. Mit insgesamt 7,5 AKE oder 0,3 AKE pro
Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche lag die Arbeitsintensität des Betriebes
unter dem Durchschnitt. Der Viehstand im Ausmaß von 24,6 GVE konnte sich
sehen lassen : Zwei Pferde, 21 Rinder, darunter ein Stier und 12 Milchkühe, 21
Schweine, davon zwei Zuchteber, zwei Zuchtsauen und zwei Mastschweine so-
wie knapp 50 Hühner und sonstiges Federvieh tummelten sich in den Ställen.
Umgelegt auf die landwirtschaftliche Nutzfläche entsprach das mit 0,9 GVE pro
Hektar einer durchschnittlichen Viehintensität. Noch stattlicher erscheint der
Fuhrpark des Betriebes : Ein eisenbereifter Dieseltraktor und ein Elektromotor,
vier Fünftel des Gesamtwerts, lieferten Zug- und Antriebsenergie. Für die Arbei-
ten auf dem Feld und im Haus hatte Anton Herzog eine Dreschmaschine, eine
Drillmaschine, einen Düngerstreuer, einen Grasmäher, einen Heuwender und
einen Futterdämpfer angeschafft, die ein Fünftel des Gesamtwerts ausmachten ;
zudem besaß er gemeinsam mit Nachbarn einen Silohäcksler zum Aufbereiten
des Grünfutters für den Gärfutterbehälter. Bezieht man den Maschinenneuwert
von 9.040 Reichsmark auf die Nutzfläche, dann pendelt sich die Maschinenin-
tensität von 323 Reichsmark pro Hektar über dem Durchschnitt ein. Da neben
den fünf Familienarbeitskräften keine weiteren Angehörigen zu versorgen waren,
lag der V/A-Quotient beim Mindestwert von eins. Außerlandwirtschaftliches
Einkommen floss, den Aufzeichnungen zufolge, keines zu ; die – nur lückenhaft
dokumentierten – Einkünfte aus dem Getreide-, Heu-, Milch- und Schlacht-
viehverkauf reichten für das Auskommen der fünfköpfigen Produktions- und
Konsumgemeinschaft völlig aus.153
Mit dem Schritt zu den Mischwirtschaftern überschreiten wir mehrere Grenzen :
die räumlichen zum Bergland der Voralpen und des Waldviertels, die der Boden-
nutzung zu den Futterwirtschaften, die des bevorzugten Zugviehs zu den Ochsen.
Diese Gruppe war den Zuckerrübenbauern und Maschinenmännern hinsichtlich der
Betriebsmerkmale in vielerlei Hinsicht ähnlich, allerdings mit weitaus schwäche-
ren Akzenten. Unterschiede zeigten jedoch die Haushaltsmerkmale : der geringe
Anteil von Familienarbeitskräften und die überdurchschnittlichen Zahlen zu ver-
köstigender Personen pro Familienarbeitskraft. Teils handelte es sich um Jungfa-
milien, deren Kinder noch zu klein zur vollwertigen Mitarbeit waren oder die noch
altersschwache Ausnehmer/-innen oder arbeitsunfähige Verwandte zu versorgen
hatten. Teils finden sich darunter aber auch Gewerbetreibende – Gastwirte, Mül-
lermeister, Sägewerksbesitzer –, die ihre im Gewerbebetrieb mithelfenden Fami-
lienangehörigen aus den Erträgen des Landwirtschaftsbetriebs mitversorgten. Ei-
nige Eigenarten der Mischwirtschafter werden an der 18-Hektar-Futterwirtschaft
von Lambert Ziegler und seiner Frau in Kleinpertholz fassbar. Der Besitz umfasste
8,9 Hektar Äcker, 3,4 Hektar Wiesen, 1,7 Hektar Weiden und 4,2 Hektar Wald.
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937