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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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175Das Doppelgesicht der Bodenordnung Der Bericht schloss mit dem Hinweis : „Bezüglich jener Teilflächen des Gutes, wel- che für Siedlungszwecke herangezogen wurden, stehen der Rückstellung überwiegend öffentliche Interessen entgegen [Hervorhebung im Original].“118 Auf den „arisierten“ Gründen des Guts Schwarzenau wurde neben drei Einzelhöfen die im Waldviertel „flächenmäßig größte und vom Erscheinungsbild uniformer sieben Höfe auffäl- ligste Siedlung“119 mit der Bezeichnung „Alm“ errichtet. Die kurze Zeitspanne zwischen dem Beschluss zur Entsiedlung des Truppenübungsplatzgeländes und dem Abschluss des Kaufvertrags über den Gutsbesitz sowie die fast vollständige Verwertung der „arisierten“ Landwirtschaftsfläche für die Neuansiedlung der Döllersheimer Aussiedler/-innen belegen den bodenpolitischen Zusammenhang zwischen den beiden Transaktionen im Besonderen, zwischen „Arisierung“ und Erbhofbildung im Allgemeinen. Wie in Schwarzenau und im angrenzenden Klein Reichenbach entstanden bis Kriegsende in der nördlich des Truppenübungsplatzes gelegenen Grenzregion, in Lexnitz, Pfaffenschlag, Schellings und Unterthumeritz, 45 von 77 nachweislich ge- planten „Siedlerstellen“ ; davon wurden 36 als neugebaute „Musterhöfe“ und neun durch Um- und Ausbauten bestehender Guts- und Meierhöfe geschaffen.120 Mit der Planung der standardisierten „Umsiedlungsgehöfte“ mit zehn, 15 oder 20 Hek- tar Grundausstattung wurde der auf Bauernhöfe spezialisierte Berliner Architekt Willi Erdmann beauftragt.121 Die in den „Umsiedlungsgehöften“ nach „rationel- len“ Gesichtspunkten geplanten Betriebseinrichtungen wie Gär- und Trocken- futtersilos, Elektrifizierung sowie Jauchegrube und Düngestätte übertrafen den zeit- und ortsüblichen Standard der Betriebsausstattung. Die Bauten wurden meist abseits der geschlossenen Dorfsiedlungen des nördlichen Waldviertels mit zehn bis 20 Hektar Grundausstattung in arrondierter Lage errichtet : „Infolgedessen kamen die Betriebe in die unmittelbare Nähe ihrer Felder zu liegen, wodurch eine we- sentliche Zeitersparnis infolge der Verkürzung der Anmarschwege erzielt wurde.“ Zugleich mit dem Bemühen, „einen hinsichtlich der Baugestaltung wie nach Lage der Äcker allen neuzeitlichen Anforderungen entsprechenden Hof zu schaffen“, nahm die Planung Anleihen bei der Bautradition des Waldviertler Dreiseithofes (Abbildung 3.4) : „Das Umsiedlungsgehöft berücksichtigt in seiner Gestaltung zwar die Eigenarten der Waldviertler Bauweise, passt sich aber dabei den Erfor- dernissen einer zweckmäßigen Bewirtschaftungs- und Wohnweise an.“122 Folglich erscheinen die „Umsiedlungsgehöfte“ als ein Stück erfundener Bautradition, die dem standardisierten Neuentwurf den Anschein des Bodenständigen und dadurch Akzeptanz verschaffen sollte : „Der ideologisch-baukulturelle Anspruch regionaler Formen und Fertigung wurde lediglich mit deren Zitat beantwortet und konnte aus Kostengründen nur aus serieller Produktion stammen wie überhaupt nur For- men infrage kamen, die sich für rationelle Produktion eigneten.“123 Die standardi-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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