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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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180 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe an kleineren, mittleren und größeren Betrieben sowie der Zahl der Menschen, die darin arbeiteten und lebten.133 Nach Ansicht des Reichsnährstandes handelte es sich um „ein umfangreiches und vielseitiges Material an Tatbeständen und Er- fahrungen“, das „das soziale und wirtschaftliche Gefüge der Landbevölkerung so lückenlos widerspiegelt, daß es für alle Planungsarbeiten schlechthin, vor allem für die ländliche Neuordnung, eine exakte Grundlage abgibt“.134 Auf dieser Basis sollte die Auslese siedlungswilliger „Neubauern“, die zunächst freiwillig erfolgte, wissenschaftlich ermittelt und dadurch zum Gegenstand zentraler Steuerung ge- macht werden. Die spärlichen Hinweise135 lassen die Stoßrichtung der „ländlichen Neupla- nung“ für Niederdonau erahnen. Ins Visier der Planer gerieten offenbar jene Prob- lemzonen, die Heinz Haushofer bereits 1940 benannt hatte : die Kleinbauern- und die Berggebiete. Der Sachbearbeiter der kreisweisen Erhebungen zur „ländlichen Neuordnung“ in Niederdonau erörterte im November 1943 mit der Reichsstelle für Raumordnung verschiedene Erhebungsprobleme, darunter auch die Zahl der „überschüssigen“ Bevölkerung. Danach ergab die Differenz zwischen der „Istzahl“ und der „Sollzahl“ aus Intensivbetrieben, Kleinlandwirten, Arbeiterlandwirten, Landhandwerkern sowie Land- und Forstarbeitern die Zahl der „unerwünschten“ Kleinbetriebe. Deren Angehörige sollten umgesiedelt, deren Fläche „für die Auf- stockung sowie für die Neuerrichtung von Groß- und Vollhufen“ umgewidmet werden.136 An den Erhebungen in Niederdonau beteiligte sich auch die Wiener Hochschularbeitsgemeinschaft für Raumforschung unter der Leitung Hugo Has- singers, die Ortsbeschreibungen zur Erstellung der Wunschbilder anfertige.137 Über die Bestands- und Wunschbildplanung im Kleinbauerngebiet im Osten des Reichsgaues schreibt der ehemalige Leiter der Landwirtschaftsverwaltung in Niederdonau in den 1980er Jahren rückblickend : „Diese Überzeugung [der Reichsnährstandsführung über den Widerspruch zwischen bäuerlichem Ideal und Realität in Niederdonau] hatte dann auch zur Folge, daß man von Berlin aus im dichtbevölkerten niederösterreichischen Kleinbauernland eine Art agrarpolitischer Inventur betrieb, die unter dem Deckmantel der Strukturforschung die spätere ‚Auskämmung‘ einer angeblich überflüssigen agrarischen Bevölkerung zur Umsiedlung in den scheinbar schon eroberten, aber erst zu ‚germanisierenden‘ russi- schen Raum vorbereiten sollte. In den dazu angestellten Erhebungsbögen waren für jeden Hof Männer, Frauen und Kinder als hübsche kleine Figürchen aufgemalt, wobei angemerkt war, wie viele von ihnen ‚nach dem Endsieg‘ zu Haus überflüssig wären und in den ‚Ostraum‘ umgesiedelt werden könnten. Nachdem die somit erfassten Männer zum großen Teil irgendwo an den Fronten standen, also gegebenenfalls zwischen dem Nordkap und der Sahara und zwischen Kaukasus und Pyrenäen, gingen die Nach-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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