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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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182 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe machen. So plädierte der Dissertant Kurt Tomasi 1944 für eine agrarstrukturelle „Gesundung“ in der Region Litschau : „Im Wege einer vernünftigen Raumplanung sollen nach und nach alle lebensuntaug- lichen Auslaufbetriebe erfasst und dazu verwendet werden, den Siedlungsverhältnis- sen eine gesunde Grundlage zu geben. Insbesondere sollten die Betriebe zwischen 5–10 ha Grundzulagen erhalten, um die Zahl der Erbhöfe zu vermehren, während die Klein- und Kleinstbetriebe als solche zu belassen wären. Es müssten auch vom Großgrundbesitz entsprechende Waldzulagen für diese Höfe beschafft werden, wobei als Voraussetzung die Beaufsichtigung des Bauernwaldes durch geschulte Forstorgane festzulegen wäre.“141 Hier wird die Grenze der „Lebenstauglichkeit“ messerscharf gezogen : Betriebe über fünf Hektar sollen zu Erbhöfen  – unter Aufsicht von Experten  – aufgestockt werden ; kleinere Betriebe sollen als solche zunächst belassen werden, längerfristig in den größeren aufgehen. Diese gegenüber den radikalen „Agrarstrukturberei- nigung“ gemäßigte Variante dürfte der vorherrschenden Sicht der Dinge in den Fachkreisen Niederdonaus entsprochen haben. Während Anton Reinthaller im Allgemeinen die Umsiedlung bäuerlicher Be- völkerungsteile aus seinem Machtbereich nicht nur goutierte, sondern auch dafür warb, zeigte er im Besonderen Vorbehalte gegen die Umsetzung dieser Pläne im Bergland.142 Die Planungsverantwortlichen hatten offenbar auch auf die Bergbau- ern und -bäuerinnen als „Siedlungsreserve“ ein Auge geworfen. Eine Verschärfung erfuhr der Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern einer Umsiedlung der bergbäuerlichen Bevölkerung durch den Machtzuwachs Heinrich Himmlers, der nach der Ablösung Richard W. Darrés 1942 die Kontrolle über die ländliche Sied- lung im „Altreich“ an sich reißen konnte. Im Unterschied zu seinem Kontrahenten maß der Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums dem „Bauern- tum“ als Fundament des „Volkes“ keine zentrale Rolle zu. Es zählte vorrangig die „Rassenzugehörigkeit“ als Fundament eines „Germanischen Reiches“ ; ob deren Träger ländlicher oder städtischer Herkunft waren, schien nachrangig.143 Konrad Meyer, Himmlers Planungsbeauftragter für die Siedlung und ländliche Neuord- nung, zählte im Oktober 1942, neben den Notstands- und Freiteilungsgebieten, die Bergbauerngebiete ausdrücklich zu den „vordringlichen Zonen“, in denen zuerst mit den „Sanierungsmaßnahmen“ begonnen werde.144 Die Aufruhr, die darüber in der Berglandabteilung herrschte, äußerte sich unter anderem im Bestreben, Meyer die Planungsunterlagen zur „ländlichen Neuordnung“ im Bergbauerngebiet vor- zuenthalten.145 In diesem Interessenkonflikt sah sich Reinthaller zu einer Pres- seoffensive veranlasst ; in einem Artikel in der von Herbert Backe, dem Nachfolger
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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