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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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208 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe Spuren zu folgen, müssen wir von der Regional- und Lokalebene zur Ebene der Haushalte und Betriebe umblenden. Die AEG konnten die im REG verankerte Regel, dass Erbhöfe oder Teile davon unverkäuflich seien, beim Vorliegen „wichti- ger Gründe“ ausnahmsweise außer Kraft setzen.210 Das AEG Eggenburg machte reichlich Gebrauch von dieser Möglichkeit : Die Richter lehnten nur einen An- trag auf Verkauf oder Tausch von Parzellen ab ; 28 von 30 Verkäufen und alle 18 Tauschgeschäfte wurden genehmigt. Die Besonderheiten des Falles von Johann und Amalia Nigl lassen allgemeine Merkmale des Handels mit Parzellen vor dem Erbhofgericht erkennen. Der Eigentümer und die Eigentümerin eines 42 Hektar umfassenden Erbhofes in Kattau schlossen 1941 drei Verträge ab : einen Verkauf von 0,3 Hektar Ackerland und Weingarten und zwei Tauschgeschäfte über 0,8 gegen 0,7 Hektar und 0,6 gegen 0,7 Hektar Ackerland. Die über den Notar des Paares eingebrachte Begründung für den Grundverkauf lautete : „Diese Grundstü- cke bilden ein gemeinsames Ganzes, bilden einen langen, schmalen Streifen, sind mitten von Grundstücken anderer Besitzer umgeben, mit Maschinen überhaupt nicht zu bearbeiten und von unserem Erbhofe so weit entfernt, dass sie nur mit großem Zeitverlust von dort aus zu bewirtschaften sind.“211 Mit ähnlichen Argu- menten wurden die beiden Tauschverträge begründet.212 Da die Anträge die Zu- stimmung des Kreisbauernführers fanden und die „Ackernahrung“ nicht gefährdet schien, sah das Gericht „wichtige Gründe“ für die Genehmigung der Kauf- und Tauschverträge gegeben.213 Wie in diesem Fall argumentierten die meisten An- träge auf Genehmigung von Kauf- oder Tauschverträgen mit betriebswirtschaftli- chen Vorteilen. In Extremfällen lagen die betreffenden Parzellen 10, 20 oder mehr Kilometer vom Hof entfernt.214 Je abgelegener das Grundstück war, umso über- zeugender erschien die betriebswirtschaftliche Argumentation für den Verkauf und den Tausch  – und umso eher genehmigte das Gericht den bereits abgeschlossenen Vertrag. War die eingehende Parzelle kleiner als die ausgehende, wurde mit dem Ausgleich des Flächenverlustes durch die bessere Bodenfruchtbarkeit argumen- tiert.215 Auch die Wahl des Geschäftspartners beeinflusste die Urteilsfindung : Kauf- und Tauschgeschäfte mit „Erbhofbauern“ oder Hinweise auf die tüchtige Betriebsführung des jeweiligen „Landwirts“ erhöhten die Wahrscheinlichkeit ge- richtlicher Genehmigungen.216 Zudem stärkte der Hinweis, dass das betreffende Grundstück bereits seit Jahren an den Käufer oder Tauschpartner verpachtet ge- wesen sei, die Argumentation.217 Freilich prüfte das AEG in allen Fällen, ob durch das Rechtsgeschäft die „Ackernahrung“ des Erbhofes gefährdet wurde ; wäre die Grundbesitzgröße unter dieses Maß geschrumpft, versagten die Richter dem An- trag die Genehmigung.218 Die oftmalige Entscheidung, abgelegene Parzellen zu verkaufen oder gegen hof- nähere einzutauschen, veränderte langsam, aber stetig die wechselseitigen Lagebe-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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