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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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210 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe terschied für die Häufigkeit von Verkaufs- und Tauschanträgen, wie etwa im Fall des Ehepaares Nigl in Kattau, einer Gemeinde im Weinbaugebiet. Üblicherweise waren Streifenflurstücke kleiner und lagen daher stärker im Gemenge als Block- flurstücke. Folglich war die Zusammenlegung verstreuter Parzellen, vor allem von Ackerstreifen (Tabelle 3.10), für die Erbhofeigentümer/-innen im Osten des AGB vermutlich ein dringlicheres Problem als für jene im westlichen Teil. Diese An- nahme wird bestärkt durch die Tatsache, dass die amtlichen Grundstückszusam- menlegungen der 1950er Jahre, die streifen- in blockartige Parzellen umwandelten, zuallererst in den Weinbaugemeinden durchgeführt wurden.223 Die Verkaufs- und Tauschanträge vor Gericht folgten der Gewohnheit, bei Bedarf die eine oder andere Parzelle vom Hof abzutrennen. In Weinbauregionen war die Bodenmobilität bereits vor 1868, als die Freiteilbarkeit von Bauerngütern gesetzlich ermöglicht wurde, stärker als anderswo ausgeprägt.224 Folglich fand in diesen Gegenden die Ideologie des geschlossenen, über Generationen in derselben „Sippe“ gehaltenen Erbhofs wenig Resonanz in der bäuerlichen Mentalität ; mehr noch, das REG stieß hier mitunter auf schroffe Ablehnung. Das zeigt etwa der Fall eines Ehepaares, das mit seinem Ansuchen um Abtrennung einer Waldparzelle von ihrem in Rafing, einer Weinbaugemeinde, gelegenen Erbhof mit 23 Hektar Grundbesitz am AEG gescheitert war.225 In der Stellungnahme des Horner Kreis- bauernführers zum Berufungsverfahren manifestierte sich die mehr oder weniger latente Ablehnung der erbhofgesetzlichen Bestimmungen im bäuerlichen Milieu : „Die durch meinen Sachbearbeiter durchgeführten Erhebungen haben vielmehr er- geben, daß es sich hier um ausgesprochene Sabotage am REG handelt und daß hier Milde durchaus nicht am Platz erscheint. Die Bauersleute W. und der als Anerbe in Betracht kommende gesunde Sohn der Familie haben meinem Sachbearbeiter anläss- lich der Erhebungen glattweg erklärt, das REG bedeutet die schwerste Knechtung der deutschen Bauernschaft und nehme jedem Bauern das Verfügungsrecht über seinen eigenen Grund und Boden. […] Der Standpunkt ist auch mit der Gesinnung der An- tragsteller in Einklang zu bringen, die heute noch als offene Feinde des Nationalsozi- alismus bekannt sind. Ich würde daher empfehlen, hier streng nach den Grundsätzen des REG zu handeln und eine Abtrennung dieser Waldparzelle von der wirtschaftli- chen Einheit unter allen Umständen zu verhindern […].“226 Hier kollidierten die „Grundsätze des REG“ mit dem bäuerlichen Habitus der Grundbesitzer/-innen, der den flexiblen Umgang mit Landparzellen nahelegte. We- nig überraschend erteilte das Erbhofgericht Wien nach diesem schwerwiegenden Vorwurf dem Antrag des Ehepaares abermals eine Absage. Die Richter ergänzten, „dass, wenn auch die gegenwärtigen Eigentümer für diese Entscheidung kein Ver-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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