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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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279Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ Deutschen Reiches hatte bereits merklich nachgelassen. Aufgrund der „Verzöge- rungen und Schwierigkeiten in der Anwerbung von Polen und Slowaken“ wur- den folgende Gegenmaßnahmen vereinbart : Erstens sollten die Ortsbauernführer die „unsichtbaren Arbeitslosen und Minderbeschäftigten“, notfalls auch mittels Dienstverpflichtungen, zum Einsatz bringen und die „Nachbarhilfe“ entsprechend dem Arbeitskräftebedarf der Betriebe steuern. Zweitens sollte das Arbeitsamt von den Kreisbauernschaften genannte „besonders notleidende Betriebe“ mit kurzfris- tig verpflichteten Beschäftigten aus Industrie und Gewerbe versorgen. Drittens sollten die eingesetzten Kriegsgefangenen auch auf anderen Höfen, die in der Nähe des Kriegsgefangenenlagers gelegen waren, zum Einsatz gelangen. Viertens würde das Arbeitsamt in „weitestgehendem“ Maß „beschäftigungslose Frauen und Mäd- chen“, insbesondere „familienunterstützte Soldatenfrauen“, auf ihre „Arbeitsein- satzfähigkeit“ hin überprüfen. In solchen Fällen sollten daher die Kreisleiter zur Benachrichtigung der „im Felde stehenden Männer“ eingeschaltet werden. Zudem sollten die Kreis- und Ortsbauernführer die Betriebsleiter/-innen dazu anhalten, der Lösung von Beschäftigungsverhältnissen mit weiblichen Arbeitskräften an- lässlich der Verehelichung auf keinen Fall zuzustimmen. Die Amtsträger wurden aufgefordert, alle Frauen und Mädchen zu nennen, „die sich ohne hinreichenden Grund einer Beschäftigung zu entziehen versuchen“. Fünftens würden Schüler ab dem 16. Lebensjahr durch das Arbeitsamt in Kooperation mit dem Kreisleiter und dem Landrat während der Ferien zu landwirtschaftlichen Arbeiten herange- zogen.93 Der Fall zeigt die Abhängigkeit der amtlichen Problemwahrnehmung-, -deutung und -behandlung von der jeweiligen Lage auf dem landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt : Waren ausländische Arbeitskräfte in ausreichendem Maß verfügbar, rückte der „Inländereinsatz“ in den Hintergrund ; stieß der „Ausländereinsatz“ an Grenzen, trat die Ausschöpfung des inländischen Potenzials, die im Hinblick auf die Dienstverpflichtung der Ehefrauen von Wehrmachtsangehörigen höchst um- stritten war, hervor. Die amtsinterne Debatte über die Ausschöpfung des Potenzials an Landarbei- terinnen vom Frühjahr 1940 flaute mit dem Einsatz belgischer und französischer Kriegsgefangener ab dem Sommer 1940 wieder ab. Laut Reichsarbeitsministerium hatte sich zu Jahresende 1940 die Lage auf dem landwirtschaftlichen Arbeitsmarkt entspannt ; die deutsche Landwirtschaft sei mit Arbeitskräften „verhältnismäßig gut versorgt“. Einmal mehr wurde klargestellt, dass der massenhafte „Ausländerein- satz“ zwar als befristete Taktik zur Aufrechterhaltung der Kriegsernährungswirt- schaft akzeptabel schien : „Wir haben gesehen, dass die gegenwärtige Versorgung der Betriebe nur durch den Masseneinsatz von fremdstämmigen Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen erreicht werden konnte.“ Die längerfristige Strategie folgte jedoch der nationalsozialistischen Rassenideologie : „Es wird eine der wichtigsten
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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