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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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280 „Menschenökonomie“ unter Zwang Aufgaben der Zeit nach dem Kriege sein, zu verhüten, dass diese Entwicklung sich fortsetzt, und sicherzustellen, dass die Dauerarbeitsplätze in der Landwirt- schaft mit deutschen Volksgenossen besetzt werden.“ Hier knüpfte die offizielle Rede vom „Reichseinsatz“ während des Krieges an die „Landflucht“-Debatte der Vorkriegszeit an : „Die Mittel hierzu werden aber nicht allein in Maßnahmen der Arbeitseinsatzpolitik und in Geboten und Verboten bestehen können, sondern es wird vor allem darauf ankommen, die Lebensbedingungen auf dem Lande, die materiellen wie die kulturellen, so zu gestalten, daß die Arbeit auf dem Lande ei- nen erhöhten Anreiz bietet.“ 94 Doch im Unterschied zur „Landflucht“ wurde der „Reichseinsatz“ in den Massenmedien kaum debattiert ;95 er wurde überwiegend amtsintern, bisweilen auch im erweiterten Expertenkreis über Fachorgane wie das Reichsarbeitsblatt verhandelt.96 Diese Leerstelle im massenmedialen Diskurs mar- kierte einen Widerspruch zwischen Ideal und Realität der amtlichen „Menschen- ökonomie“, einen wunden Punkt des nationalsozialistischen „Volkskörpers“ : Die Tugend der „deutschen Landarbeit“ wurde durch die der Not gehorchende Untu- gend des Masseneinsatzes „fremdvölkischer“ Arbeitskräfte auf den Höfen immer mehr zur Chimäre. Die Anteile von Kriegsgefangenen und ausländischen Zivilarbeitskräften an den landwirtschaftlich Beschäftigten zeigten im Lauf des Krieges eine steigende Tendenz ; zugleich wurden wachsende Anteile an allen im „Reichseinsatz“ befind- lichen Arbeitskräften aus dem Ausland in anderen Wirtschaftszweigen eingesetzt, vor allem in „kriegswichtigen Betrieben“.97 Doch die reichsweiten, einmal jährlich erhobenen Angaben verschleiern die regionalen und zeitlichen Schwankungen der Arbeitskräftezahlen.98 Bereits im Herbst 1939 wurden in Niederdonau die ersten Frauen und Männer aus dem von der Deutschen Wehrmacht überrannten Po- len zum landwirtschaftlichen „Arbeitseinsatz“ gebracht. In den folgenden Jahren erhöhte sich die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte in mehreren Phasen. Bis 1942 folgte das Angebot an Kriegsgefangenen, das an die militärischen Erfolge und Misserfolge der Wehrmacht gekoppelt war, der Nachfrage nach Ersatzarbeits- kräften für die zum Arbeits- und Militärdienst einberufenen Männer : Im Sommer 1940 kamen belgische und französische Gefangene zum Einsatz ; im Sommer 1941 folgten serbische ; im Frühjahr und Sommer 1942 wurden nach langem Zögern der NS-Führung die wenigen Sowjetgefangenen, die den kalkulierten Hungertod in den Wehrmachtslagern im Winter 1941/42 überlebt hatten,99 eingesetzt. Die Zah- len der in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten Kriegsgefangenen im Be- reich des Landesarbeitsamts Wien-Niederdonau erreichten im Sommer 1942 mit 32.895 ihren Höhepunkt. Ab 1942/43 begann im Zuge des militärischen Rück- zugs an der Ostfront das Angebot an Gefangenen der Nachfrage hinterherzuhin- ken ; auch der Einsatz der Italienischen Militärinternierten (IMI) im Herbst 1943
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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