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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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301 Arbeit als alltägliches Kräftefeld und Viehpflege herangezogen werden“,153 meldete der GP Seitenstetten im Okto- ber 1940. Solche allgemeinen Widersprüche brachen im „Russeneinsatz“ 1942 in besonderem Maß auf. Vor allem in den Streusiedlungsgebieten des Alpenvorlandes und der Voralpen führte der Einsatz dieser Gruppen zu heftigen Debatten. Zum Einsatz der nach der behördlichen Einstellung des Straßenbaus freigewordenen so- wjetischen Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft berichtete der GP Ybbsitz im Mai 1942 : „Die Verordnung, dass die Kriegsgefangenen vom und zum Arbeitsplatz begleitet werden müssen, erschwert den Höhenbauern, die diese am dringendsten benötigen würden, deren Einstellung, da dadurch die einzige männliche Arbeits- kraft einen Arbeitszeitverlust von einigen Stunden haben würde.“154 Unter diesen Bedingungen wurde der angekündigte Austausch der anwesenden Ausländer/-in- nen durch sowjetische Zivilarbeiter/-innen als „sehr ungünstig“ beurteilt : „Wäh- rend die franz. Kriegsgefangenen in ihre Lager nach Arbeitsschluss alleine gehen, müssten für die russ. Zivilarbeiter Lager errichtet und diese von Bauern zur Arbeit abgeholt und nach Arbeitsschluss in die Lager zurückgebracht werden.“155 Durch die Belastung des Hin- und Rücktransports wäre „dem Bauern […] nichts gehol- fen“.156 Die Kosten der rassenideologisch motivierten Diskriminierung sowjetischer Kriegsgefangener und „Ostarbeiter“ aus der deutschen Gesellschaft schmälerten ab Sommer 1942, zumindest in den Streusiedlungsgebieten, erheblich deren ökonomi- schen Nutzen. Die gegen die Lagerunterbringung erhobenen Vorbehalte stärkten jene Entscheidungsträger, die eine Einzelunterbringung forderten.157 Häufigen Anlass für Auseinandersetzungen bot die Arbeit an Sonn- und Fei- ertagen. Die Bestimmung, dass „Ostarbeitern“ für die Arbeit an Sonntagen keine Zuschläge zum Normallohn zustünden, schuf für die Dienstgeber/-innen einen Anreiz für die Sonntagsarbeit.158 So klagte im August 1944 der Landrat Neubis- tritz : „In mehrfachen Fällen wurde besonders von den polnischen Arbeitern und Ostarbeitern die Sonntagsarbeit während der Heuernte verweigert, sodaß energi- sche Maßnahmen zur Erzwingung der Arbeitspflicht angewendet werden muß- ten.“159 Zwar schwieg der Landrat über die Art dieser „energischen Maßnahmen“ ; dass sich diese nicht in Belehrungen erschöpften, ist anzunehmen. Der Zwang zur Sonntagsarbeit wurde für die Ausländer/-innen  – ebenso wie für die Inländer/- innen  – nach Geschlechtern unterschiedlich wirksam. Während Männer meist von der Feldarbeit freigestellt wurden oder sich wegen der mangelnden Überwa- chungsmöglichkeiten im Freien leichter der Arbeit entziehen konnten, waren die zur Haus- und Stallarbeit verpflichteten Frauen einer umfassenderen Kontrolle durch die Dienstgeber/-innen unterworfen.160 An der sonntäglichen Messfeier für Ausländer/-innen, erzählt die ehemalige polnische Landarbeiterin Helene Pawlik, habe ein Großteil der Frauen nicht teilnehmen können : „Die haben daheim blei- ben müssen, da wurde viel gewaschen und geflickt […], auch am Sonntag.“161
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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