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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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311 Arbeit als alltägliches Kräftefeld Arbeitskräfte auf dem Gut beschäftigt.200 Der Beschäftigtenstand des Betriebes war von Jahr zu Jahr gewachsen : 1941 registrierte die von der Kreisbauernschaft Gän sern dorf geführte Hofkarte 16 männliche und sechs weibliche ständige Ar- beitskräfte ; ein Jahr später waren es bereits 30 Männer, darunter 19 Kriegsgefan- gene, und acht Frauen. 1941 wurden von nichtständigen Arbeitskräften 7.150 Tage geleistet ; ein Jahr später belief sich diese Zahl auf 5.800. Die Umverteilung von nichtständigen zu ständigen Arbeitskräften hing mit der Verlagerung des Produk- tionsschwerpunktes des erzbischöflichen Gutes zusammen. Dies betraf einerseits die Nutzung des Ackerlandes : Auf der 412 Hektar großen Gesamtfläche des Be- triebes nahm 1941 bis 1944 das Ackerland von 359 auf 392 Hektar zu. Während dieses Zeitraums wuchsen die Getreidefläche, vor allem die Hafer- und Gersteflä- chen, von 165 auf 205 Hektar, die Futterfläche von 14 auf 44 Hektar, die Fläche für Hülsenfrüchte auf 35 Hektar und die Gartenbaufläche auf neun Hektar ; dagegen nahmen die Hackfruchtfläche von 155 auf 86 Hektar und die Fläche für Handels- gewächse von 17 auf neun Hektar ab. Andererseits wurde der Viehstand erheblich ausgeweitet : 1941 bis 1943 nahm zwar die Zahl der Pferde von zwölf auf sieben ab ; hingegen wuchsen die Zahlen der Schweine auf 46 und die Rinderzahlen von 4 auf 131. Neben dem Ersatz von Pferden durch 24 Zugochsen beruhte die Veränderung des Rinderbesatzes vor allem auf der Zunahme der Milchkühe auf 98 Stück. Kurz, die Gutsverwaltung Obersiebenbrunn verlagerte ihren Produktionsschwerpunkt zunehmend auf Feldfutter- und Futtergetreidebau sowie Milch- und Mastvieh- haltung ; dies erhöhte den Bedarf an ständigen Arbeitskräften, der offenkundig überwiegend durch Kriegsgefangene und „Ostarbeiter“ gedeckt wurde  – eine auf Zwangsarbeit basierende Betriebsintensivierung.201 Dimitrij Filippovich Nelen berichtet von rund 50 Arbeitskräften aus der Sow- jetunion, Polen und Italien sowie von einheimischen Frauen, die im Gutsbetrieb beschäftigt waren ;202 das deckt sich einigermaßen mit den statistischen Aufzeich- nungen. Der Verwalter des erzbischöflichen Gutes Obersiebenbrunn führte, wie er erzählt, die Belegschaft mit harter Hand. Viel Arbeit und wenig Lohn  – so resümiert der ehemaliger „Ostarbeiter“ seine Zeit am erzbischöflichen Gut. Außer unzureichender Verpflegung und vergitterter Unterkünfte habe es keine Gegen- leistung für die Arbeit gegeben : „Wer sollte uns denn bezahlen, mein Gott. Wer hätte uns bezahlt und wofür, für trübe Brühe haben wir das gemacht. Die Arbeit war doch sehr billig, und für sie bedeutete es, wir haben billige Produktion erzeugt. Da haben wir gedroschen, Rüben angebaut, Vieh gepflegt und auch andere Aufgaben erledigt. Also hatten sie schon billige Pro- duktion.“203
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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