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350 „Menschenökonomie“ unter Zwang
heit des Arbeitsplatzwechsels in der Landwirtschaft war seit 1938/39 durch eine
Fülle an Gesetzesbestimmungen teils eingeschränkt, teils völlig ausgeschaltet wor-
den ; daher lief der überwiegende Teil dieser Ab- und Zugänge an Arbeitskräften
wohl über den Behördenweg : über die Wehrbezirkskommandos, die Einberufungen
zum Militärdienst aussprachen, die Arbeitsämter, die in- und ausländische Arbeits-
kräfte vermittelten, den Reichsnährstand, dessen Amtsträger Einberufungen und
Vermittlungen von Landarbeitskräften zu koordinieren halfen. Wie Budgetzahlen,
die Rudolf Goldscheid als das „aller täuschenden Ideologien entkleidete Gerippe“
eines Staates sah,335 offenbaren die Tabellen zum Arbeitskraftpotenzial, fern aller
Propaganda, das tragende Gerüst der staatlichen „Menschenökonomie“, des be-
hördlich gesteuerten Einsatzes menschlicher Arbeitskraft auf den Höfen.
Die derart dechiffrierbare Logik des „Arbeitseinsatzes“ war durch zeitliche,
räumliche und agrarsystemische Akzente geprägt. 1942 wurde im Vergleich zu 1941
über 3 Prozent mehr an Arbeitskraft abgezogen, als durch Zugänge ersetzt werden
konnte. Dieses Defizit schlug vor allem in den Regionen Litschau und Mank durch ;
die Region Matzen verzeichnete dagegen einen Gewinn an Arbeitskräften. Unter
den Agrarsystemen verzeichneten Wein-, Nebenerwerbs- und Arbeiterbauernfamilien
sowie Ochsen- und Gewerbebauern merkliche Verluste ; die übrigen Salden beweg-
Tabelle 4.13 : (Unter-)Bäuerliches Arbeitskraftpotenzial in den Regionen
Litschau, Mank und Matzen 1941–1944
Agrarsystem 1941 1942 1943 1944
Index Stabw. Index Stabw. Index Stabw. Index Stabw.
Ackerbäuerinnen 100,0 ± 0,0 107,2 ± 37,0 109,7 ± 45,5 105,1 ± 48,7
Arbeiterbauernfamilien 100,0 ± 0,0 99,6 ± 44,1 99,0 ± 55,7 97,2 ± 61,1
Mischwirtschafter 100,0 ± 0,0 103,0 ± 26,7 108,0 ± 31,2 107,0 ± 35,2
Gewerbebauern 100,0 ± 0,0 101,0 ± 36,9 105,9 ± 51,6 104,1 ± 55,6
Kleinbauernfamilien 100,0 ± 0,0 103,2 ± 28,6 99,6 ± 28,8 100,4 ± 29,0
Maschinenmänner 100,0 ± 0,0 99,5 ± 27,4 102,1 ± 26,2 99,2 ± 26,7
Nebenerwerbsbauernfam. 100,0 ± 0,0 92,4 ± 34,9 89,6 ± 37,7 87,0 ± 42,4
Ochsenbauern 100,0 ± 0,0 97,5 ± 25,2 103,6 ± 30,7 102,0 ± 32,3
Weinhauerfamilien 100,0 ± 0,0 87,6 ± 36,2 93,4 ± 38,3 92,1 ± 40,4
Zuckerrübenbauern 100,0 ± 0,0 103,5 ± 24,4 106,6 ± 31,0 110,5 ± 34,0
Gesamtheit der Höfe 100,0 ± 0,0 99,6 ± 33,6 101,5 ± 40,2 100,1 ± 43,6
Quelle : eigene Berechnungen (Datenbasis : 1.542 Betriebe) nach NÖLA, BBK Gän sern dorf, Mank
und Litschau, Hofkarten.
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937