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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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358 „Menschenökonomie“ unter Zwang könnte auch ein Fremder schaffen. Aber es geht um das Regiment. Der Bauer allein, das gilt seit altersher, führt das Regiment auf dem Hofe. Die Bäuerin hält das Haus. Da nun aber viele Höfe im Dorfe ohne das feste Regiment des Bauern sind, muß die Bäu- erin statt des Bauern schaffen, so gut sie es vermag. Doch was sie im Regiment schafft, muß sie von ihrem eigenen Tagwerk nehmen, oder von den Kindern, die ganz ihre Mut- ter wollen. Das ist oft schwer, auch wenn nach außenhin wenig davon zu spüren ist. Aber der Bauer, der auf Urlaub kommt, merkt wohl, daß vieles auf der Bäuerin liegt, das sonst nicht in ihrem Wesen ist und das sie anders macht, strenger, härter als sonst. Gesegnet sei die Stunde, da der Bauer wieder zu seinem Hofe kommt und die Bäuerin nur dem Hause gehört, für das sie geschaffen ist ! [Hervorhebungen im Original]“343 Der Autor bewertet das kriegsbedingte Einspringen der Frauen für die Männer von einer scheinbar ‚natürlichen‘ Arbeitsteilung her : Der Mann führt den Hof, die Frau hält das Haus. Werde der Mann zu den Waffen gerufen, übernehme die Frau  – dieser Logik folgend  – nicht die Führung, sondert dehne die Haushaltung zeitlich befristet auf den ganzen Hof aus, wie es „das Gesetz, das immer in solchen Jahren über dem Dorfe steht“, wolle : „Krieg führen die Männer, die Frauen halten den Hof.“344 Diese patriarchalische, biologistisch legitimierte Geschlechterord- nung leitete die staatlichen Maßnahmen zur Entlastung der „Landfrauen“ und der weiblichen Landjugendlichen an : Die Beratungsseiten für Bäuerinnen im Wochen- blatt appellierten an den „sparsamen“ Umgang mit den Vorräten, die „rationelle“ Abfolge der Arbeitsschritte, die „geschmackvolle“ Ausgestaltung des bäuerlichen Heimes.345 Auch die schulischen Anstrengungen zur Professionalisierung der land- wirtschaftlichen Frauenarbeit hielten an der überkommenen Arbeitsteilung fest.346 Schließlich stellte die 1943 eingeführte „Hofpatenschaft“, bei der ein männlicher Betriebsleiter aus der Nachbarschaft die Aufsicht über die Wirtschaftsführung auf einem Hof unter weiblicher Leitung übernahm, die patriarchalische Geschlechter- ordnung wieder her. Zwar wurde der „Hofpate“ im Wochenblatt als „Helfer“ apo- strophiert ;347 doch Betriebe ohne männlich besetzte Leitungsfunktion galten als „verwaist“  – und bedurften daher, ohne dass dies ausgesprochen werden musste, eines ‚Vormundes‘.348 Eine Ausweitung erfuhr der organisierte Paternalismus 1944 durch die vom „Ortsdreieck“, bestehend aus Bürgermeister, NSDAP-Ortsgrup- penleiter und Ortsbauernführer, koordinierten „Kriegs-Höfegemeinschaften“, die mehrere „führerlose“ Betriebe unter Leitung eines „tüchtige[n] Bauer[n] oder Landwirt[s]“ zusammenfassten  – eine „reine Kriegsmaßnahme, die in erster Linie unseren schwer überlasteten Bäuerinnen, nicht zuletzt aber auch der Allgemeinheit zugute kommen wird“.349 Letztlich oblag es den Frauen auf den Höfen, mit der Kluft zwischen offiziellen Entlastungsmaßnahmen und alltäglichen Belastungen zurande zu kommen.350
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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