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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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365 „Menschenökonomie“ vor Ort Die Behörden muteten der jungen Frau zwar die Überforderung der Betriebsfüh- rung zu, gestanden ihr eine Entlastung durch ausländische Arbeitskräfte jedoch nicht zu. Der Fall zeigt, wie der gängige Topos, die „deutsche Frau“ sei als bäuer- liche „Betriebsführerin“ der Bedrohung von Seiten der „Fremdvölkischen“ nicht gewachsen, Betriebsleiterinnen zum Nachteil gereichte. Innerhalb der Gesindearbeitskräfte nichtdeutscher Nationalität verschoben sich 1941 bis 1944 die Gewichte nach Rechtsstatus und Geschlecht (Tabelle 4.22). Bezogen auf das gesamte Arbeitskräftepotenzial der Betriebe wuchsen die Anteile der Zivilarbeiter/-innen von Jahr zu Jahr rascher als jene der Kriegsgefangenen. Zudem wiesen Kriegsgefangene und männliche Zivilarbeiter durchwegs höhere jährliche Zuwächse als die weiblichen Zivilarbeiterinnen auf. Kurz, Entmilitarisie- rung und Vermännlichung kennzeichneten den landwirtschaftlichen „Ausländer- einsatz“. Nach Agrarsystemen und Gemeinden zeichneten sich freilich einige Ab- weichungen von dieser Gesamttendenz ab ; so behielten etwa die Maschinenmänner das Zahlenverhältnis zwischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitskräften weitge- hend bei. Die Entmilitarisierung und Vermännlichung des „Ausländereinsatzes“ ging Hand in Hand mit der Militarisierung und Verweiblichung der inländischen Arbeitskräftebasis. So gesehen diente der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte auf den Höfen ein Stück weit der ausgleichenden ‚Normalisierung‘ der ländlichen Ar- beitsverhältnisse  – wenngleich unter außergewöhnlichen Umständen. Mit dem Verlassen des (unter-)bäuerlichen Hofes und dem Betreten des Guts- betriebes wechseln wir nicht nur den Schauplatz, sondern auch die Logik der Ar- beitsverhältnisse. Hier herrschte nicht die Familienwirtschaft unter männlicher  – und immer häufiger auch weiblicher  – Führung ; stattdessen dominierten freiwillige oder, wie im Fall der Zwangsarbeiter/-innen, erzwungene Vertragsverhältnisse zwi- schen Lohnabhängigen und Gutsbesitzer/-in, meist vertreten durch einen Guts- verwalter.354 Da in nahezu allen Hofkarten der Gutsbetriebe im Kreis Gän sern dorf die Arbeitskräftezahlen für 1944 fehlen, beschränkt sich die Betrachtung auf 1941 bis 1943 (Tabelle 4.23, Anhang). Von den vier Beispielgutsbetrieben konnten drei ihren Personalstand ausbauen : Auf Karl Steiners Gut in Schönkirchen wurden zu- sätzlich zwei Gesindekräfte eingestellt, wodurch das Arbeitskraftpotenzial um 11 Prozent stieg. Das Gut der Stadt Wien in Markthof baute zwar mehr als ein Viertel der ständigen Arbeitskräfte ab ; dafür wurde die Kapazität der nichtständigen Ar- beitskräfte nahezu verdoppelt. Insgesamt vermehrte sich das Arbeitskraftpotenzial, vor allem durch die Umschichtung 1942, um 21,6 AKE oder 16 Prozent. Größere Änderungen zeigte auch der Personalstand des Gutsbetriebes von Leopold Hutter in Markgrafneusiedl : Zwar wurden die nichtständigen Arbeitskräfte etwas ver- mindert ; doch die Aufnahme von ständigen Arbeitskräften 1943 führte zu einem Zugewinn von 9,3 AKE oder 20 Prozent. Einen beachtlichen Personalabbau erfuhr
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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