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„Menschenökonomie“ vor Ort
statistische als real fassbare Entwicklung zerfiel, nach Agrarsystemen betrachtet,
einerseits in einen Abwärtstrend, der für die Getreide-Milchviehgüter mäßiger als
für die Marktfrucht-Milchviehgüter ausfiel, andererseits in einen Aufwärtstrend der
Taglöhner- und, noch stärker, der Gesinde-Maschinengüter (Tabelle 4.24). Die star-
ken Streuungen in den Gruppen der Milchvieh- und Gesinde-Maschinengüter wei-
sen auf heterogene Entwicklungen hin ; dagegen erscheinen die gering streuenden
Gruppen der Marktfrucht- und Taglöhner-Maschinengüter als eher homogen. Kurz,
innerhalb der Gän sern dorfer Gutsbetriebe erfolgte innerhalb von nur drei Jahren
eine Spaltung zwischen jenen, die ihr Arbeitskraftpotenzial aufstockten, und jenen,
die es verminderten.
Tabelle 4.24 : Gutsbetriebliches Arbeitskraftpotenzial im Kreis Gän sern dorf
1941–1943
Agrarsystem 1941 1942 1943
Index Stabw. Index Stabw. Index Stabw.
Gesinde-Maschinengüter 100,0 ± 0,0 121,7 ± 52,1 154,3 ± 81,4
Marktfrucht-Milchviehgüter 100,0 ± 0,0 83,4 ± 27,2 79,4 ± 22,8
Getreide-Milchviehgüter 100,0 ± 0,0 93,6 ± 39,9 93,9 ± 50,2
Taglöhner-Maschinengüter 100,0 ± 0,0 112,2 ± 26,8 129,2 ± 19,2
Gesamtheit 100,0 ± 0,0 103,8 ± 42,4 115,3 ± 61,7
Anmerkung : Drei Betriebe – ein Forstgut und zwei Güter mit fehlenden Angaben über den Arbeits-
kräftebesatz 1942 und 1943 – wurden aus der Berechnung ausgeschlossen.
Quelle : eigene Berechnungen (Datenbasis : 34 Betriebe) nach NÖLA, BBK Gän sern dorf, Hofkarten
Gutsbetriebe.
Versuchen wir, die Ab- und Zuzüge an Arbeitskräften, die sich hinter den Index-
werten verbergen, aufzudecken (Tabelle 4.25). Bemerkenswerterweise entpuppen
sich die Taglöhner-Maschinengüter durchwegs als Arbeitskraft akkumulierende Be-
triebe : Den Zuwächsen standen kaum Abgänge gegenüber. Bei den übrigen Ag-
rarsystemen verliefen die Arbeitskraftflüsse in beide Richtungen. Die am meisten
ausgeglichene Bilanz zeigten die Getreide-Milchviehgüter ; dagegen überwogen bei
den Marktfrucht-Milchviehgütern die Abgänge, bei den Gesinde-Maschinengütern
die Zugänge. Für die betriebliche Arbeitsorganisation war nicht nur die Zahl, son-
dern auch die Art der Arbeitskräfte wesentlich (Tabelle 4.26). Die Zugewinne der
Taglöhner-Maschinengüter betrafen fast ausschließlich Gesindekräfte. Auch die Ge-
sinde-Maschinengüter nahmen 1942 vorwiegend ständige Arbeitskräfte auf ; doch
1943 schwenkten sie zur Mehrbeschäftigung nichtständiger Arbeitskräfte um.
Der Personalabbau der Marktfrucht-Milchviehgüter betraf zunächst vor allem Tag-
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937