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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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373Zusammenfassung „gemeinsam arbeiten  – gemeinsam essen“ folgte, förderte den Einschluss der recht- lich Ausgeschlossenen in die „Hofgemeinschaft“ und gewährleistete so deren Ar- beitsmotivation und -kontrolle. Doch die Möglichkeiten, sich bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu ‚erarbeiten‘, waren nicht nur begrenzt, sondern auch un- gleich verteilt : „Ungarische Juden“, IMI, sowjetische Kriegsgefangene und anfangs auch „Ostarbeiter“ standen überwiegend oder ausschließlich im Kolonneneinsatz und in Lagerunterkunft. Häufig wechselnde Einsatzorte und, dadurch bedingt, flüchtige bis fehlende Kontakte mit den häufig als gesichtslos wahrgenommenen Vorgesetzten schlossen individuelles Hocharbeiten weitgehend aus. Das erzwun- gene Kollektiv der Familie, Landsleute oder Arbeits- und Lagerkollegen vermochte die Repression durch Vorgesetzte, etwa durch Minderung des Arbeitstempos, bis zu einem gewissen Grad einzudämmen. Die Vorstellung einer zentral gesteuerten „Menschenökonomie“, die für die Funktionseliten der Arbeitseinsatzverwaltung Sinn stiftete, hatte mit der All- tagspraxis auf den Höfen wenig gemein. Anstelle einer einheitlichen, zentral ge- steuerten Maschinerie zeigt der landwirtschaftliche „Arbeitseinsatz“ vielfältige, vor Ort adaptierte Machtmechanismen. Die vielfältigen Arrangements zwischen den Imperativen des „Arbeitseinsatzes“ und den praktischen Anforderungen zeigten im Alltag eine enorme Streuung. Die Akteure auf den Höfen eigneten sich den Widerspruch zwischen dem Einschluss der ausländischen Arbeitskräfte in die Be- triebe und deren Ausschluss aus den Haushalten in je eigener Art an. Während diese Spannung mit Kolonneneinsatz und Lagerunterkunft in Groß- und Gutsbetrieben weitgehend vereinbar war, trat dieser Widerspruch am Einzeleinsatz in Klein- und Mittelbetrieben offen zutage. Die Menschen vor Ort waren gefordert, zwischen amtlichen Regulativen und alltäglichen Erfordernissen zu balancieren. Der viel- fach zu beobachtende Vorrang der Pragmatik alltäglichen Wirtschaftens vor der Ideologie der ‚Rassentrennung‘ war  – jenseits der Intentionen der Akteure  – bis Kriegsende funktional für den landwirtschaftlichen „Arbeitseinsatz“. Dies konnte durch normkonformes Verhalten geschehen ; dies konnte aber auch, im Gegenteil, durch die Abweichung von der Norm erfolgen. Was die mit dem „Arbeitseinsatz“ befassten Ordnungshüter in ihren Stimmungs- und Lageberichten häufig beklag- ten, war zugleich Bedingung und Folge der Ordnung, die sie hüteten. Der „Arbeitseinsatz“ prägte nicht allein die Alltagswelt der ausländischen Ar- beitskräfte ; nahezu alle ländlichen Arbeitsbeziehungen waren davon direkt oder indirekt betroffen. Dabei zeigten sich Unterschiede nach (unter-)bäuerlichen Ag- rarsystemen : Großflächige, hoch technisierte und stark kommerzialisierte Betriebe wie die Zuckerrübenbauern wurden in der Regel besser mit Arbeitskräften versorgt als landarme, wenig technisierte und mehr auf Selbstversorgung ausgerichtete Betriebe ; eine Ausnahme bildeten die Maschinenmänner, die  – vermutlich wegen
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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