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381„Bauerntum“
und Technik – (k)ein Widerspruch ?
befriedigende Leistung der Handelsdünger ist aber nur dann zu erwarten, wenn alle
Nährstoffe zueinander in einem für die Pflanzenernährung harmonischen Verhält-
nis stehen, was aber bei der Düngerwirtschaft der Kriegsjahre nicht der Fall war“,27
so eine Expertenmeinung aus der Nachkriegszeit. Um die kriegsbedingte Verknap-
pung der Stickstoff- und Phosphordüngermengen auszugleichen, propagierte der
Reichsnährstand den vermehrten Einsatz von Düngekalk ; durch die Mobilisie-
rung der Restnährstoffe, das ‚Ausmergeln‘ der Böden, sollte der Wirkungsgrad der
Stickstoff-, Phosphor- und Kalidüngergaben gesteigert werden.28 Dabei näherten
sich die in Niederdonau eingesetzten Mengen langsam dem Reichsdurchschnitt,
erreichten ihn aber nur in den Landkreisen Gmünd und Neubistritz ; nicht weniger
als 83 Prozent der Böden in den Alpen- und Donaugauen galten als kalkbedürf-
tig.29 Um der Verknappung zu begegnen, sollten die verfügbaren Mineraldünger-
mengen mittels Bodenuntersuchungen präziser ausgebracht werden.30 Zudem war
die Agrarpresse eifrig bemüht, bäuerliche Bedenken gegen die Beeinträchtigung
der Bodenfruchtbarkeit durch den „Kunstdünger“ zu zerstreuen : „Pflanzenwachs-
tum ohne Humus geht also, Pflanzenwachstum ohne mineralische Nährstoffe geht aber
nicht [Hervorhebung im Original]“. In griffigen Gleichsetzungen der Acker- mit
der Viehwirtschaft stand der von organischem Dünger abhängige Humus für den
Stall, der Mineraldünger für das Viehfutter.31 Offenbar boten sich dem angepeilten
Mineraldüngereinsatz nicht nur materielle, sondern auch ideelle Hindernisse.
Tabelle 5.2 : Mineraldüngerabsatz auf dem Gebiet Österreichs 1937–1944
Jahr Stickstoff Phosphor Kali Stickstoff Phosphor Kali Mengenindex*
(Reinnährstoffe in 1.000 Tonnen) (Index 1937=100)
1937 6,7 14,0 8,6 100 100 100 100
1938 10,9 19,1 10,7 162 137 124 146
1939 21,0 22,5 26,8 313 161 310 248
1940 25,4 21,5 30,7 379 154 356 279
1941 28,2 11,5 41,8 420 82 484 286
1942 24,0 11,3 46,6 358 81 540 268
1943 19,4 11,5 64,5 290 82 748 272
1944 15,0 8,1 84,2 224 58 976 270
Legende : * mit den Preisen von 1937 wertgewogener Mengenindex
Anmerkung : Die Zahlen geben den Düngemittelabsatz in Österreich wieder, wie er sich aufgrund von
Auslieferungen aus Inlandsproduktion und Importen ergibt. Der tatsächliche Verbrauch in den Kalen-
derjahren kann daher etwas abweichen.
Quelle : WIFO (Hg.), Ertragssteigerung, 4 ; N., Handelsdüngerverbrauch, 26 (abweichende Angaben).
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937