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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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415Staatshilfe als „Auslese“ die Landstellen „freiwillige“ Nachlässe  – etwa durch die Drohung, die Forderung eines Gläubigers festzuschreiben  – erwirken.124 In welcher Weise diese Instru- mente Fall für Fall zum Einsatz kamen, wurde im Entschuldungsplan festgelegt. Im Unterschied zum „Altreich“ wurde den Landstellen in der Ostmark dabei ein erheblicher Ermessensspielraum eingeräumt, um eine „schnellere und einfachere Entschuldung zu ermöglichen“.125 Nach Bestätigung des Entschuldungsplans waren die Betriebe nur mehr mit langfristigen, grundbücherlich sichergestellten Forderungen belastet : den festgeschriebenen Forderungen von Kreditinstituten, Behörden und sonstigen Gläubigern sowie der Entschuldungsrente und, gege- benenfalls, dem Aufbaudarlehen des Deutschen Reiches. Die Verzinsung und Tilgung all dieser Forderungen schöpfte die ermittelte „Leistungsfähigkeit“ der Entschuldungsbetriebe meist voll aus ; größere Investitionen bedurften von nun an der Genehmigung der Landstelle.126 Wie die Landstelle Wien ihren Ermessensspielraum bei der Aufstellung der Entschuldungspläne ausschöpfte, zeigt etwa die Deckung der einzelnen Schul- denarten in den Untersuchungsgemeinden (Tabelle 5.9). Privatdarlehen wurden in Auersthal zu mehr als der Hälfte, in Frankenfels zu gut einem Viertel fest- geschrieben ; hingegen erfolgten in Heidenreichstein und St. Leonhard am Forst vollständige Ablösungen, wodurch die Gläubiger vergleichsweise hohe Nachlässe gewährten  – oder gewähren mussten. Darlehen von Kreditinstituten wurden in allen Gemeinden fast zur Gänze festgeschrieben und nur zum geringen Teil abge- löst. Lohn-, Gehalts-, Handwerker- und Lieferantenforderungen wurden ebenso wie Kleinforderungen bis 100 Reichsmark  – „aus sozialen Gründen“ durchwegs in bar127  – abgelöst ; ebenso wurden Arzt-, Notar- und sonstige Honorare durch Ablösungen gedeckt. Mit der Ablösung von Erbteilsforderungen, die in Auersthal zur Gänze, in Frankenfels zu zwei Dritteln und in St. Leonhard am Forst zu gut der Hälfte erfolgten, wurden auch die finanziellen Abhängigkeiten zwischen über- nehmenden und weichenden Erben und Erbinnen abgelöst. Bei Restkaufgeldern konnten die Sachbearbeiter der Landstelle in Auersthal und Frankenfels Nach- lässe in der Höhe eines Viertels erzielen. Während hier sowie in Heidenreichstein überwiegend Ablösungen stattfanden, wurden die Restkaufgelder in St. Leonhard am Forst zu drei Vierteln festgeschrieben. Steuerschulden, die meist aus der Zeit vor dem „Anschluss“ stammten, wurden den Entschuldungsbetrieben in Abspra- che mit der Finanzverwaltung128 zur Gänze oder großteils erlassen ; nennenswerte Festschreibungen fanden nur in Frankenfels statt. Sonstige Schulden wurden zu einem geringen Teil nachgelassen und überwiegend abgelöst. Die Ermessensentscheidungen der Landstelle zwischen der Festschreibung und Ablösung einer Forderung hingen nicht nur von den gesetzlichen Bestimmungen, sondern auch von der Ertragskapazität des jeweiligen Agrarsystems ab. Demgemäß
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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