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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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420 Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ werden die Ein- und Ausschlussmechanismen der nationalsozialistischen Agrar- förderung zahlenmäßig fassbar. Mit jedem zusätzlichen Hektar Kulturfläche stie- gen die Aufbaumittel in Kirchberg an der Pielach durchschnittlich um 52 Reichs- mark, in Mank um 75 Reichsmark, in Litschau um 83 Reichsmark und in Matzen um 281 Reichsmark, mehr als das Fünffache des niedrigsten Zuwachses.137 Kurz, der für eine größenproportionale Agrarförderung typische „Matthäus-Effekt“138  – ‚wer hat, dem wird gegeben‘  – wurde in der Voralpenregion am schwächsten, im Pannonischen Flach- und Hügelland hingegen am stärksten wirksam. Regionale Unterschiede treten auch beim Vergleich der (Un-)Gleichheit der Mittelverteilung zutage (Abbildung 5.11) : Die Kurve für Kirchberg an der Pielach verläuft näher an der Diagonale der Gleichverteilung als die Kurve für Matzen ; folglich waren die Aufbaumittel in letzterer Region ungleicher als in ersterer verteilt. Die untere Hälfte der nach den bewilligten Geldbeträgen gereihten Aufbaubetriebe verfügte in Kirchberg an der Pielach über rund 16 Prozent, in Matzen aber nur über etwa 11 Prozent aller Aufbaumittel. Oder anders gesagt : Die Hälfte aller Aufbaumittel wurde in ersterer Region bereits mit den unteren 78 Prozent, in letzterer erst mit den unteren 83 Prozent der Aufbaubetriebe abgedeckt. Die Kurven für Mank und Litschau liegen zwischen diesen Extremen, wobei sich die erstere Region eher dem Matzener, die letztere eher dem Kirchberger Extrem annähert. All diese Unterschiede erscheinen auf den ersten Blick wenig dramatisch ; doch genauer besehen belegen sie in eindrücklicher Weise, dass dasselbe agrarpolitische Instrument in regional unterschiedlicher Weise wirksam wurde. Während die Auf- bauaktion für die Kirchberger Grünland-Waldwirtschaften eher dem inklusiven Gleichheitsgrundsatz  – ‚jedem das Gleiche‘  – nahe stand, folgte sie für die Matze- ner Acker-Weinbauwirtschaften eher dem exklusiven Effizienzgrundsatz  – ‚jedem das Seine‘.139 Dabei wurde Leistung, gemäß der amtlich definierten „Leistungsfä- higkeit“, am jährlich erwirtschafteten Saldo der Einnahmen und Ausgaben in Be- trieb und Haushalt gemessen. Unter diesem Blickwinkel entpuppt sich der agrar- politische Kurs der Aufbauaktion als doppelgleisiger Pfad, der, je nach regionalen Bedingungen, hier Gleichheits-, dort Effizienzzielen folgte. Vonseiten der agrar- politischen Eliten wurden diese beiden Zielbereiche nicht zwingend als Gegensatz verstanden ; so hieß es in den Richtlinien für die Gewährung von Aufbaumitteln : „Der Einsatz der Betriebsaufbaumittel muß in einem sachlich gerechtfertigten Ver- hältnis zu dem zu erwartenden Erfolg stehen. Wirtschaftliche Erwägungen können nur dann zurückgestellt werden, wenn dies im Hinblick auf besondere Ziele (z. B. bevölkerungs- und grenzpolitische Erwägungen oder Siedlungsabsichten) erforder- lich ist.“140
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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