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449„Aufrüstung“
in den Bergen
und Mähweiden, die Ausnützung und Pflege der bei manchen Häusern vorhandenen
und meist ganz verwilderten Hausweiden ist durchzuführen, um so bei verstärkter
Futterbasis an die Hebung und Kräftigung des Viehstandes schreiten zu können. Es
sei aber nicht verschwiegen, daß speziell diese letztere Aufgabe nur im Rahmen eines
Zusammenschlusses sämtl. Betriebe zu einer Rinderzuchtgenossenschaft geschehen
kann, welche nach und nach den Rinderbesatz auswechselt und durch planvolle Zucht
die Hebung der Leistung des gesamten Viehstapels in jeder Hinsicht sich zum Ziele
macht. Auch die Frage, ob die Murbodnerrasse beibehalten werden kann oder an die
Einführung der Montafoner geschritten werden wird, ist noch zu klären.“213
Der unter Federführung der Agrartechniker der Behörde des Reichsstatthalters
erstellte Aufbauplan suchte an die Pfadrichtung der lokalen Agrarentwicklung
anzuknüpfen, das Entwicklungstempo zu steigern und das futter- und viehwirt-
schaftliche Erzeugungspotenzial im Sinn des Intensivierungsgebots der „Erzeu-
gungsschlacht“ zu optimieren. Die vorgesehenen Gemeinschaftsmaßnahmen
umfassten Güterwegebauten unter Einsatz von Kriegsgefangenen, Wildbachver-
bauungen, Drainagen, den Ausbau des Stromnetzes, die Anschaffung von Mo-
torseilzügen und motorisierten Güllepumpwägen sowie die Gründung einer Rin-
derzuchtgenossenschaft. An Einzelmaßnahmen waren Neu- und Umbauten von
Wohn- und Wirtschaftsgebäuden unter Berücksichtigung von Landarbeiterwoh-
nungen, die Errichtung von Düngerstätten, Jauchegruben und Gärfutterbehältern,
die Anlage von Kunstwiesen und Mähweiden, Stromanschlüsse, Transportseilbah-
nen und Wasserleitungen geplant. Die Kosten umfassten Gemeinschaftsanlagen
im Wert von 2,5 Millionen Reichsmark und Einzelanlagen im Wert von 1,6 Mil-
lionen Reichsmark, zusammen 4,1 Millionen Reichsmark oder, umgelegt auf die
193 Höfe, 21.000 Reichsmark pro Hof. Die Eigenleistungen der Betriebsbesitzer/-
innen sollten nach der vom Reichsnährstand festgestellten Leistungsfähigkeit be-
messen werden.214
Nun begannen die Mühlen der Bürokratie zu mahlen. Eine noch im Februar
1941 durchgeführte Begehung mit einem Beamten der Berglandabteilung bestä-
tigte im Großen und Ganzen die im Antrag gemachten Angaben, vor allem die
landschaftliche Zweiteilung der Gemeinde in eine hügelige Flysch- und eine ge-
birgige Kalksteinzone. Zudem schien das „aufgeklärte Wesen“ des Ortsbauern-
führers des nördlichen Gemeindeteiles das Gelingen der Aufbaumaßnahmen zu
fördern. Es wurde der Auftrag erteilt, die Güterwege- und Seilbahnprojekte auszu-
arbeiten sowie das zur Unterbringung der in Aussicht genommenen Kriegsgefan-
genen nötige Lager zu errichten.215 Unterdessen hatte die Berglandabteilung am
eingereichten Aufbau- und Kostenplan einige Mängel festgestellt : Die betriebs-
wirtschaftlichen Entwicklungsziele seien zu nebulos gehalten ; die pflanzenbau-
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Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937