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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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453„Aufrüstung“ in den Bergen und Obst wird in fast allen Haushalten ausgiebig gegessen. Hingegen ist der Gemü- severbrauch im großen und ganzen bescheiden […]. Mithin [ergibt sich insgesamt nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen] ein Abgang von RM 265. Ein Ergebnis, welches bei der derzeitigen Erzeugungs- und Preislage vor allem dem Bienenfleiß und der nicht mehr zu unterbietenden An- spruchslosigkeit der Menschen in der Lebenshaltung zu danken ist.“223 Insgesamt zeichnete der Planungsbeauftragte der Landesbauernschaft Donauland ein ambivalentes Bild der Ybbsitzer „Bergbauern“ : Einerseits verlieh er seiner Aner- kennung über den Fleiß und die Genügsamkeit des bäuerlichen Menschen Ausdruck. Andererseits beurteilte er die bergbäuerliche Bevölkerung an städtisch-bürgerlichen Maßstäben, die die Beurteilten zwar als „rassisch“ geeignet, hinsichtlich der Betriebs- und Haushaltsführung jedoch als „rückständig“ erscheinen ließen. Beide Facetten dieses Bildes kennzeichnen den ambivalenten Blick eines ‚romantischen Modernisie- rers‘, der die ‚bäuerlich-germanische Tradition‘ schätzte, zugleich aber auch deren wis- senschaftlich-technische Erneuerung forderte. Durch die romantisch-moderne Brille des Beobachters hindurch zeigen sich die Umrisse bäuerlicher Arbeits- und Lebens- weisen, die sich keineswegs gegen industriell-städtische Einflüsse abschotteten, zu- gleich mit der agrarisch-ländlichen Welt  – pflanzlichen und tierischen Wachstums- bedingungen, familiären, verwandtschaftlichen und nachbarschaftlichen Netzwerken, einer religiös-asketischen Ethik  – eng verwoben waren. Das lokale Agrarsystem war über die Wirtschaftsstile seiner Akteure in der Lage, die zur Produktion für den Haushalts- und Marktkonsum benötigten Ressourcen  – Land, Arbeit, Betriebskapital und Wissen  – überwiegend selbst zu reproduzieren. Genau an diesem Selbststeue- rungspotenzial setzte der „Gemeinschaftsaufbau“ an, um die Kluft zwischen Ist- und Soll-Zustand zu schließen ; dieses sollte für die staatliche Fremdsteuerung dienstbar gemacht werden  – kurz, Fremd- durch Selbststeuerung.224 Der „Gemeinschaftsaufbau“ in Ybbsitz folgte einer planerischen Vorstellung, die das lokale Agrarsystem den Maßstäben des nationalen Agrarsystems gemäß zu optimieren trachtete ; im Klartext hieß dies : „Die natürlichen Erzeugungsbedingungen ergeben optimale Voraussetzungen für intensive Grünlandbewirtschaftung und gewähren noch ausreichende Möglichkei- ten zu vielgestaltiger Ackernutzung. Auch die Waldwirtschaft findet günstige Ver- hältnisse vor und selbst für den Obstbau sind in vielen Lagen die Voraussetzungen gegeben. Die intensive Grünlandbewirtschaftung ergibt ihrerseits die Grundlage für die Rindviehhaltung mit Milcherzeugung als vorwiegender Nutzungsrichtung. Die Möglichkeit des Kartoffelbaues ergibt auch günstige Grundlagen für eine angemes- sene Schweinehaltung auf wirtschaftseigener Grundlage.“225
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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