Page - 475 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Image of the Page - 475 -
Text of the Page - 475 -
475Kapitaleinsatz
vor Ort
flächen gedrittelt werden, zeichnen folgendes Bild : Die durchschnittliche Stalldün-
germenge je Hektar Acker- und Wiesenfläche erreichte im Drittel der kleinsten
Betriebe mit etwa 10.500 Kilogramm den Höchstwert, lag im Drittel der Betriebe
mittlerer Größe bei 9.200 Kilogramm und war im Drittel der größten Betriebe mit
rund 8.400 Kilogramm am geringsten. Ähnlich verteilte sich die durchschnittli-
che Menge an Handelsdünger auf die Größengruppen : 84, 37 und 18 Kilogramm
pro Hektar Acker- und Wiesenfläche. In beiden Gemeinden, die, agrarsystemisch
betrachtet, die Extrempositionen markierten, galt : Je kleiner die Betriebe, desto
mehr überwog die organische Düngung ; dieser Zusammenhang folgte aus dem zu-
gleich zunehmenden Viehbesatz pro Flächeneinheit. Doch dieser Gemeinsamkeit
der Stalldüngung stand ein Unterschied des Handelsdüngereinsatzes gegenüber :
In Auersthal kam mit zunehmender Betriebsgröße mehr Mineraldünger pro Hek-
tar zur Anwendung ; hingegen standen in Frankenfels die Mineraldüngermengen
zur Betriebsgröße im entgegengesetzten Verhältnis. Dafür dürften im einen Fall
ökonomische, im anderen Fall ökologische Gründe ausschlaggebend gewesen sein :
Die größeren Auersthaler Betriebe waren marktorientierter als die kleineren ; daher
konnten – und mussten – sie mehr Geldmittel für den Handelsdüngerzukauf auf-
wenden. Hingegen waren die größeren Frankenfelser Höfe meist jene, die in größe-
rer, bis knapp unter 1.000 Meter reichender Seehöhe
– und damit unter ungünstige-
ren Wachstumsbedingungen – mit hohem Selbstversorgungsanteil wirtschafteten ;
folglich waren dem „Kunstdüngern“ engere Grenzen gesetzt. Ungeachtet dieser
Unterschiede stellten die Gutachter der Landstelle Wien beiden Gemeinden ein
mangelhaftes Zeugnis hinsichtlich des „Kunstdünger“-Aufwandes aus.
Die fehlenden Angaben über die Maschinenausstattung für die Betriebe bis
fünf bzw. zwei Hektar in den Hofkarten vermögen bis zu einem gewissen Grad die
Ergebnisse der landwirtschaftlichen Betriebszählung 1939 auszugleichen. Zwar
sind die publizierten Maschinenzahlen entweder nach Betriebsgrößenklassen oder
nach Kreisen – aber nie nach beiden Merkmalen zugleich – zusammengefasst ;269
doch in den Kreiswirtschaftsmappen, die den Landes- und Kreisbauernschaften
für Planungszwecke dienten, finden sich feingliedrigere Zusammenfassungen für
eine breite Palette an Maschinen, Geräten und baulichen Anlagen.270 Mit diesen
Materialien lässt sich eine häufig geäußerte, doch mangels entsprechender Daten
selten überprüfte Aussage zur Mechanisierung bäuerlicher Betriebe untersuchen :
die Abhängigkeit der Mechanisierung von der Betriebsgröße.271 Dazu betrachten
wir die Zahlen von Kraft- und Arbeitsmaschinen sowie der Gärfutterbehälter pro
100 Betrieben nach der Größe der landwirtschaftlichen Nutzfläche in den Land-
kreisen Gän sern dorf (Abbildung 5.22), Gmünd (Abbildung 5.23) und Melk (Ab-
bildung 5.24), denen die Untersuchungsregionen Matzen, Litschau und Mank
zugehörten.
back to the
book Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937