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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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530 Das „Landvolk“ und seine Meister schinen in Ordnung ?148 Über derartige symbolische Inbesitznahmen gewann eine Vorstellung Kontur : das Deutsche Reich als großer Bauernhof, bearbeitet vom „Landvolk“, geführt von dessen Meistern im Reichsnährstand. Wie die Häufungen von „wir“ und „unser“ zeigen, trachteten die Wochenblatt-Macher vor allem in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft danach, die Vorstellung eines überdimen- sionierten, auf das Reichsgebiet erweiterten „ganzen Hauses“149 in den Köpfen der Leserschaft zu befestigen. Insgesamt hatte der Begriff „Führer“  – teils bezogen auf Adolf Hitler, teils bezo- gen auf untergeordnete Führungsfiguren  – durchgängig bis Anfang 1943 Konjunk- tur ; danach folgte ein merklicher Einbruch. Auffällig ist der Zusammenhang mit der auf die „Volksstimmung“ drückenden Niederlage der Deutschen Wehrmacht bei Stalingrad zu Jahresbeginn 1943 ;150 danach machte das Wochenblatt von „Füh- rer“ als Überschriftenbegriff deutlich seltener Gebrauch. Offenbar wurde die ‚große Politik‘ dem „Landvolk“ weniger über die abstrakte Formel „Nationalsozialismus“, als vielmehr über konkrete Führungsfiguren nahegebracht. Darin äußert sich eine Facette der „charismatischen Herrschaft“ des NS-Regimes, die ihre Legitimität aus der Abspaltung alltäglicher Missstände von der mythisch überhöhten Figur des „Führers“ schöpfte.151 Das Wochenblatt hatte in der Logik des ‚nationalen Hofes‘ die Aufgabe, dem „Landvolk“ die Entscheidungen der Führung zu übermitteln und begreiflich zu machen ; damit imitierte es den patriarchalischen „Hausvater“, der seinen Arbeits- kräften Ratschläge und Anweisungen erteilt. Diese hierarchische Kommunikation erfolgte in unterschiedlicher Weise : anleitend, argumentierend, aufklärend und appellierend. Anleitungen bezogen sich auf spezielle Arbeitstätigkeiten in Betrieb und Haushalt im Lauf des Jahres, bei denen folgenreiche Entscheidungen, etwa über die Landnutzung und Viehhaltung, zeitgerecht zu treffen waren : Wieviel Zu- ckerrübe bauen wir heuer ?152 Anleitungen betrafen nicht nur die Betriebs-, sondern auch die Haushaltstätigkeiten ; auf diese Weise befestigte der Wochenblatt-Dis- kurs die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern : Waschfibel für die Landfrau. Wie machen wir uns Hausseife ?153 Mit den Anleitungen hatten die Argumentati- onen die Bezugnahme auf spezielle Betriebs- und Haushaltstätigkeiten gemein ; der Unterschied bestand in der Art der Begründung der jeweiligen Maßnahme : eher implizit im ersten, explizit im zweiten Fall : Warum Hühnerstallbeleuchtung im Winter ? Wir müssen den Hühnern den Futtertag verlängern.154 Explizite Begrün- dungen kennzeichneten auch die Aufklärungen ; doch anders als Anleitung und Argumentationen ging es dabei weniger um spezielle Betriebs- und Haushaltsent- scheidungen, als vielmehr um generelle, oft polarisierende Themen. Ausgangspunkt von Aufklärungen waren meist  – vermeintliche oder tatsächliche  – Anfragen aus der Leserschaft, etwa zum umstrittenen REG : Schützt das Reichserbhofgesetz die
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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