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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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608 Ordnung und Chaos des Marktes stationiert war, trat 1941 bis 1942 in Höflein, Scharndorf und Wildungsmauer, Kreis Bruck an der Leitha, als Aufkäufer von Rind- und Schweinefleisch für Mi- litärzwecke auf. Nur in zwei nachweisbaren Fällen fand er unmittelbar Zugang zu seinen Lieferanten ; überwiegend bediente er sich zweier lokaler Vermittler, die die Geschäftskontakte anbahnten : des Viehsensals und Kleinbauern Josef Mandorfer aus Höflein und eines Fleischergehilfen aus Scharndorf. Weiters engagierte er vier Bauern aus Höflein als Helfer, die an Schlachtung, Verarbeitung, Transport und Lagerung mitwirkten. Die Vermittler und Helfer wurden für ihre Dienste bezahlt. Die zu überhöhten Preisen angekauften Rinder und Schweine wurden meist noch an Ort und Stelle „schwarz“ geschlachtet, verarbeitet und in ein Zwischenlager transportiert. Die Amtsautorität des uniformierten Unteroffiziers, der überzeugend behauptete, das Militär sei von den Bewirtschaftungsvorschriften ausgenommen, sowie die persönliche Bekanntschaft mit dem Viehsensal als regionalem Makler für Viehverkäufe und dem Fleischergehilfen schufen bei den Viehaltern und -hal- terinnen ein Maß an Vertrauen, das das Risiko der ungewöhnlichen Geschäfte vertretbar erscheinen ließ. Über den Viehsensal wurden acht, über den Fleischer- gehilfen sechs Viehbesitzer/-innen in den „Schleichhandel“ verwickelt. Vereinzelt trugen Verwandtschaftsbeziehungen zur Einbindung weiterer Personen in das Netzwerk bei. Insgesamt wurden über zweieinhalb Tonnen Rind- und Schweine- fleisch in dunkle Kanäle geleitet ; knapp 900 Reichsmark an über dem amtlichen Niveau liegenden Preisen flossen in die Taschen der bäuerlichen Verkäufer/-innen. Der Unteroffizier dürfte die Ware großteils im „Schleichhandel“ weiter veräußert haben. Seine Helfer rechtfertigten sich damit, dass sie guten Gewissens ortsübliche Arbeitstätigkeiten gegen Bezahlung erbracht hätten. Der professionelle, arbeitstei- lige Charakter dieses ausgedehnten Tauschnetzwerks begünstigte die Delegation der eigenen Verantwortung auf andere, die Rechtfertigung als kleines Rädchen im großen Getriebe.113 Im Vergleich zeichneten sich die drei ansonsten äußerst unterschiedlichen Tauschnetzwerke durch eine Gemeinsamkeit aus : die Vermittler/-innen oder, netz werkanalytisch gesprochen, Makler/-innen.114 Vermittler/-innen erweiterten mit ihren eigenen Beziehungen die beschränkten Ego-Netzwerke jener Erzeu- ger/ -in nen, die Produkte auf dem „Schwarzmarkt“ zu veräußern trachteten. Über die Makler/-innen entstanden Verbünde von Ego-Netzwerken, in denen die „Schwarzwaren“ entlang der Beziehungsstränge über mehrere Knoten vom Er- zeuger zum Verbraucher gelangten. Meist kannten die Personen am Beginn und Ende dieser Beziehungsketten einander nicht persönlich, hingen über die Pro- duktflüsse dennoch zusammen. Wie die Fälle zeigen, konnten die Makler/-innen vielfältige Positionen im Gesamtnetzwerk einnehmen : Im ersten Fall handelte es sich um zwei Brüder aus dem Bekanntenkreis des bäuerlichen Erzeugers, die ihre
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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