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Geschichte
Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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629Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 1939 im Folgejahr  – vor allem in Melk  – heftig einbrachen. Die für Unwetter und andere Wachstumshemmnisse anfälligste Kulturpflanze war jedoch die Weinrebe : Im Jahresrhythmus folgten auf Spitzenernten  – so 1939, 1941 und 1943  – erhebli- che, mancherorts sogar totale Ernteausfälle  – so 1940 und 1942. Der mehrjährige Vergleich der Ernteerträge zeigt, dass manche Kulturpflanzen  – etwa Brotgetreide, Zuckerrüben und Wein  – empfindlicher als andere auf Veränderungen der jährli- chen Wachstumsbedingungen reagierten. Weiters wurden Ausfälle einer Fruchtart durch stabile oder überdurchschnittliche Erträge einer anderen  – wie etwa bei Zu- ckerrüben und Wein 1943  – ausgeglichen. Dieses hier nur bruchstückhaft fass- bare, in vollem Umfang aus jahre- und jahrzehntelanger Erfahrung aufgeschichtete Wissen über Ertragsschwankungen war eine entscheidende Ressource ländlichen Wirtschaftens.168 Damit vermochten Betriebsinhaber/-innen das Betriebsent- scheidungen anhaftende Risiko, etwa im Hinblick auf das Anbauverhältnis der Feldfrüchte, abzuschätzen. Die Hektarerträge boten einen Maßstab für Erfolg oder Misserfolg der Produk- tionsoffensive. Letztlich zählten jedoch für die Betriebsinhaber/-innen, aber auch für die Strategen der „Erzeugungsschlacht“ die Gesamterträge zur Selbst- und Marktversorgung. Um die (Natural-)Roherträge, die Produkte aus Anbauflächen und Hektarerträgen, der einzelnen Kulturpflanzen aufeinander beziehen zu kön- nen, diente die im Auftrag des Reichsnährstandes von einer Arbeitsgruppe um den Hallenser Agrarökonomen Emil Woermann entwickelte Getreideeinheit (GE) als gemeinsames Maß. Diese als „ernährungswirtschaftlicher Leistungsmaßstab“ kon- zipierte Einheit entspricht dem durchschnittlichen Nährwert von Getreide, wobei der Kaloriengehalt des Eiweißes gegenüber jenem von Kohlenhydraten und Fett mit 2,5 gewichtet wird.169 Gemessen am Nährwert der Pflanzenproduktion konnte kaum von einer Niederlage in der „Erzeugungsschlacht“ die Rede sein (Abbildung 7.14) : Zwar knickte die pflanzenbauliche Gesamtleistung 1940 ein ; doch konnte sie nach einer Steigerung 1941 in den Folgejahren auf dem Niveau des ersten vol- len Kriegsjahres 1940 stabilisiert werden. Die Bezirksergebnisse zeigen eine starke Streuung : Während die getreidebauliche Leistung etwa in Melk deutlich abfiel, bewegten sich Gän sern dorf und Gmünd meist nahe dem Durchschnitt  – mit Aus- nahme des rasanten Abfalls von 1944. Neben der Pflanzen- bildete die Tierproduktion die zweite Komponente der Agrarproduktion. Hier stellt sich das allgemeine Problem der eingeschränkten Ver- lässlichkeit der amtlichen Agrarstatistik in besonderer Weise : Die Aufsichtsorgane vermochten Anbauflächen und Ernteerträge mit entsprechendem Aufwand eini- germaßen zu kontrollieren. Dagegen bedurfte die Kontrolle der Viehstände und Schlachtungen einer aufwendigen Nachschau im Stall, etwa im Zuge von „Hof- begehungskommissionen“. Wie die Sondergerichtsverfahren über Wirtschafts-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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