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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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687Vom Wert der Landarbeit der Ostmark mangels Einheitsbewertung229 die Notwendigkeit, „die Leistungsfä- higkeit in jedem einzelnen Falle zutreffend festzustellen [Hervorhebung im Ori- ginal]“.230 Diese ungemein aufwendigen Erhebungen wurden von Sachbearbeitern der Landstelle im Zuge von Betriebsbesichtigungen  – bis zur Jahresmitte 1944 hatten im Bereich der Landstelle Wien 23.734 Besichtigungen stattgefunden231  – durchgeführt ; dabei war ein umfassender Katalog von Kriterien zu beachten : „Bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit sind Lage, Klima, Bodenbeschaffenheit, Wirtschaftsweise und alle sonstigen Verhältnisse des Betriebes, vor allem auch die Einnahmen aus einem landwirtschaftlichen oder gewerblichen Nebenbetrieb und dem nichtlandwirtschaftlichen Teil eines gemischten Betriebes zu berücksichtigen. Die Leistungsfähigkeit gleichartiger Betriebe derselben Gegend wird naturgemäß, von Besonderheiten des einzelnen Betriebes abgesehen, im allgemeinen die gleiche sein ; darin ist ein gewisser Anhaltspunkt für die zutreffende Feststellung der Leis- tungsfähigkeit gegeben. Besondere Verhältnisse des Betriebes werden vielfach eine niedrigere oder höhere Festsetzung der Leistungsfähigkeit gegenüber der üblichen Höhe rechtfertigen. Umstände, die nur vorübergehender Natur sind und nur zu ei- ner zeitweiligen Erhöhung oder Verminderung der Betriebseinnahmen führen, sind im allgemeinen bei der Festsetzung der Leistungsfähigkeit unberücksichtigt zu las- sen, weil die Leistungsfähigkeit denjenigen Betrag darstellt, der auf die Dauer für die Verzinsung und Tilgung der Schulden aufgebracht werden kann [Hervorhebung im Original].“232 Bei der Feststellung der „Leistungsfähigkeit“ ging es darum, das allgemeine In- strumentarium des Verfahrens den Besonderheiten des jeweiligen Betriebes und Haushalts anzupassen ; dementsprechend galt sie als der „Angelpunkt des gan- zen Verfahrens“.233 Die peniblen Nachforschungen staatlicher Amtsträger in der Stube, in den Ställen und auf den Feldern der Betriebsinhaber/-innen waren sinn- fälliger Ausdruck der Kolonialisierung bäuerlicher Alltagswelten durch das NS- Agrarsystem unter Mitwirkung der Antragsteller/-innen.234 Dabei wurden die (unter-)bäuerliche Betriebs- und Haushaltsführung sowie deren Akteure aus den alltäglichen Bezügen herausgelöst und an den amtlichen sowie agrar- und rechts- wissenschaftlichen Maßstäben der „ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung“ und der „Entschuldungswürdigkeit“ gemessen. Dieser bürokratisierte Ein- und Aus- schlussmechanismus teilte den (unter-)bäuerlichen Familien mit den Entschul- dungs- und Aufbaumitteln auch mehr oder weniger Überlebenschancen zu ; so gesehen erscheint die von den Sachbearbeitern abgewogene „Leistungsfähigkeit“  – und damit auch „Lebensfähigkeit“  – des jeweiligen Hofes nicht als bloße Gege- benheit, sondern als ein Konstrukt dieses Machtdispositivs.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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