Page - 689 - in Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Image of the Page - 689 -
Text of the Page - 689 -
689Vom
Wert der Landarbeit
Einnahmequelle war, in den übrigen Betrieben geringeres bis kein Gewicht besaß ;
die Schweinehaltung, die in Heidenreichstein die Hälfte, in St. Leonhard am Forst
ein Fünftel, in den übrigen Betrieben aber nur ein Achtel der eingehenden Gelder
eintrug ; die Hühnerhaltung, die durchwegs einen nicht unerheblichen Beitrag zu
den Einnahmen leistete ; schließlich teils betriebliche, teils regionale Eigenarten :
der – rund ein Zehntel einbringende – Handel mit Schaferzeugnissen und Holz
in Frankenfels, der
– zusammen etwa ein Drittel umfassende
– Getreide- und Bie-
nenhonigverkauf in St. Leonhard am Forst und die – mit einem Anteil von mehr
als der Hälfte existenzielle
– Trauben- und Weinerzeugung in Auersthal. Nebenbe-
schäftigungen wurden in Heidenreichstein, ein gelegentliches Lohnfuhrwerk mit
einem Fünftel der Einnahmen, und in Auersthal, landwirtschaftliche Taglohnar-
beit mit einem Achtel, registriert.
Auf der Ausgabenseite erscheinen diese betrieblichen Unterschiede deutlich ab-
gemildert : Die Lebenshaltungskosten der Familie schlugen mit einem Viertel bis
knapp der Hälfte am meisten zu Buche. In den größeren Betrieben in Frankenfels
und St. Leonhard am Forst waren familienfremde Arbeitskräfte im Ausmaß von
etwa einem Fünftel der Ausgaben zu entlohnen. Dünge- und Futtermittel stellten
in Heidenreichstein eine erhebliche, in den übrigen Betrieben eine geringere Be-
lastung dar ; dafür wogen sonstige Betriebszukäufe in St. Leonhard am Forst und
Auersthal schwerer. Die Steuern und Abgaben machten bis zu einem Zehntel aus.
Etwas weniger Mittel erforderte die Erhaltung der Gebäude und Maschinen. Eine
regionale Eigenart stellen die Pachtzinse dar, die in Auersthal im Umfang von
einem Zehntel der Ausgaben anfielen. Die aus der Differenz von Einnahmen und
Ausgaben errechnete „Leistungsfähigkeit“ pro Hektar Kulturfläche verdeutlicht
die Unterschiede der Bodennutzungsintensitäten, aber auch der Zusatzeinkünfte :
An einem Pol des Spektrums standen die Frankenfelser Grünland-Waldwirtschaft
mit vier Reichsmark, am anderen Pol die Auersthaler Acker-Weinbauwirtschaft
mit 57 Reichsmark
– dem etwa 15-fachen Betrag. Einen gewissen Ausgleich schuf
die unterschiedliche Flächenausstattung, wodurch im Hinblick auf die gesamte
„Leistungsfähigkeit“ die Heidenreichsteiner Hackfruchtwirtschaft mit 95 Reichs-
mark an das Ende, die St. Leonharder Futterwirtschaft mit 500 Reichsmark
– dem
rund fünffachen Wert – an die Spitze der Rangfolge rückten.
Bereits diese Fälle deuten die Vielfalt der betrieblichen Geldflüsse an ; erweitern
wir nun die Perspektive von den Beispielbetrieben auf die umliegenden Regio-
nen. Der folgende Vergleich der ein- und ausgehenden Geldflüsse von 561 Ent-
schuldungs- und Aufbaubetrieben in den AGB Kirchberg an der Pielach, Litschau,
Mank und Matzen zielt nicht nur auf die Unterschiede zwischen den Regionen,
sondern auch auf die innerregionalen Unterschiede. Als Vergleichsmaßstab eignen
sich die Betriebsgrößenklassen kaum ; denn ein Zehn-Hektar-Betrieb repräsen-
back to the
book Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945"
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Schlachtfelder
- Subtitle
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Author
- Ernst Langthaler
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 948
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937