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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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704 Eine grünbraune Revolution ? rungsbegriff auch den zeitlichen Gegensatz zwischen Tradition und Moderne auf- brechen ; dazu wäre die Vorstellung „multipler Modernen“ von der Raum- auf die Zeitachse zu übertragen. Einen Ansatz in diese Richtung bietet die vom Konzept der partiellen Modernisierung32 inspirierte „Übergangsgesellschaft“, die sich durch eine „Gemengelage moderner und traditionaler Strukturen und Werte“ auszeich- net.33 Gleichwohl bleibt dieses Konzept letztlich dem  – mittels „Gemengelagen“, „Mischungsverhältnissen“ und „Ungleichzeitigkeiten“ nur mühsam überbrück- ten  – Gegensatz von Tradition und Moderne verhaftet. Einen weiterführenden Ansatz eröffnet die in den Science and Technology Stu- dies gebräuchliche Transitionstheorie, die den schroffen Gegensatz von Tradition und Moderne durch eine fein abgestufte Skala von Modernitätsgraden überwin- det.34 Damit rückt der Zusammenhang von bislang als ‚traditional‘ oder ‚modern‘ voneinander separierten Systemelementen ins Zentrum. Entlang einer Skala zwi- schen den Polen modern und nicht-modern (als Alternative zu den wertbesetzten Attributen ‚traditional‘ und ‚anti-modern‘)35 sind verschiedene Formen von Sys- temübergängen von niedrigeren (A) zu höheren Modernitätsgraden (B) denkbar : der lineare Übergang mit gleichbleibender Geschwindigkeit ; der verzögerte Über- gang, der sich erst ab einer Schwelle beschleunigt ; der beschleunigte Übergang, der sich erst ab einer Sättigung verzögert ; der mehrspurige Übergang, der sich in meh- rere Entwicklungspfade aufdröselt ; der abgebrochene Übergang, der nach einem Wendepunkt zum Ausgangszustand zurückführt (Abbildung 8.1).36 Freilich erfordert eine Studie zur nationalsozialistischen Agrargesellschaft eine räumliche und zeitliche Konkretisierung dieses abstrakten Modernitätsbegriffs ; dafür bietet sich der bereits eingeführte Begriff des Produktivismus an. Europas Agrargesellschaft vollzog zwischen Weltwirtschaftskrise und Nachkriegsboom ei- nen produktivistischen Übergang von einem arbeitsintensiv-solarenergetischen zu einem kapitalintensiv-fossilenergetischen Regime, der enorme, gleichsam revolu- tionäre Produktivitätszuwächse in Gang setzte.37 Frühere Agrarrevolutionen  – die erste von Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts, die die Land- und Viehnut- zung ertragreicher arrangierte, und die zweite von Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts, die industrielle Technologien zur landwirtschaftlichen Ertragsstei- gerung adaptierte  – zeichneten sich zwar durch erhebliche Produktivitätszuwächse aus ; doch blieb die Agrarproduktion noch überwiegend den Reproduktionszyklen ihrer pflanzlichen und tierischen Ressourcenbasis verbunden. Hingegen schöpfte die dritte  – eigentliche  – Agrarrevolution seit Mitte des 20. Jahrhunderts ihren enormen Produktivitätszuwachs aus dem „1950er Syndrom“,38 dem Übergang von der Nutzung organischer Ressourcen aus der Biosphäre zum Verbrauch minerali- scher Ressourcen aus der Lithosphäre.39 Die agrartechnische Revolution der Mate- rial- und Energieflüsse war verbunden mit einer agrarinstitutionellen Revolution,
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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