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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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746 Eine grünbraune Revolution ? der „ordnungsgemäßen Bewirtschaftung“ an das alltägliche Wirtschaften anlegten : Als Antragsteller/-innen um Entschuldungs- und Aufbaumaßnahmen unterzog die Landstelle ihre Hilfsbedürftigkeit, -fähigkeit und -würdigkeit einer strengen Prüfung. Als Eigentümer/-innen eines Erbhofs unterlagen sie der gerichtlichen Überprüfung ihrer „Wirtschaftsfähigkeit“ und, gegebenenfalls, der treuhändischen Verwaltung ihres Hofes. Als „Schwarzschlächter/-innen“, die etwa zur Verpflegung der nötigen Aushilfskräfte kriegswirtschaftliche Vorschriften missachteten, waren sie sondergerichtlichen Urteilen unterworfen. Die Kontrolle ging jedoch nicht nur von äußerlichen Instanzen, sondern auch vom Inneren des Hofes aus. So etwa suchten Ehepartner/-innen, Familienangehörige oder Verwandte mittels gericht- licher Anträge zur Überprüfung der „Bauernfähigkeit“ der Erbhofeigentümer/-in- nen ihre Eigeninteressen durchzusetzen. Auf diese Weise betrieben die Menschen auf den Höfen in ihrer Alltagswelt eine unbeabsichtigte, aber umso wirksamere Selbstkontrolle, die der Fremdkontrolle durch das NS-System zuarbeitete. Neben nicht-produktivistischen Rückzugsnischen erschlossen Betriebsleiter/- innen abseits des Hauptstroms aber auch produktivistische Pioniernischen. Die staatliche Anbauoffensive von Ölfrüchten zur Schließung der „Eiweiß- und Fett- lücke“ schnürte ein Förderungspaket, bestehend aus Prämienanreizen, Betriebs- mittelzuteilungen und Expertenwissen, das  – entgegen der nationalsozialistischen Bauerntumsrhetorik  – den Landwirt als (männlich gedachten) Unternehmer ad- ressierte. Von dieser Offensive der „Kriegserzeugungsschlacht“ zeigten sich nicht alle betrieblichen Agrarsysteme und Wirtschaftsstile gleichermaßen angespro- chen ; es waren neben den Landgutsbetrieben im östlichen Flachland Nieder- donaus vor allem die gewinnorientierten, hochmechanisierten und fachlich ge- schulten Betriebsleiter/-innen in Gunstlage in Gestalt der Maschinenmänner und Zuckerrübenbauern. Durch forcierten Anbau von Raps  – einer Handelspflanze, deren Eigenleben technisch-wissenschaftliche Eingriffe herausforderte  – intensi- vierten sie die Land- und Viehnutzung weit über das Durchschnittsmaß hinaus ; auf diese Weise brachten sie sich als produktivistische Avantgarde der kommenden Agrarrevolution in Stellung.144 Der Kampf gegen die „Eiweiß- und Fettlücke“ eröffnete eine weitere Pionierni- sche an einer Front, die kaum Gunst-, sondern meist ausgesprochene Ungunstlagen bot : die Aufbauaktion im Allgemeinen, den „Gemeinschaftsaufbau im Bergland“ im Besonderen. Während der breit angelegte „Aufbau“, meist in Verbindung mit der „Entschuldung“, die „Leistungsfähigkeit“ vor allem von Berg- und Kleinbauern zu heben suchte, war der auf wenige Pioniergemeinden beschränkte „Gemeinschafts- aufbau im Bergland“ als ‚kleiner Schritt‘ zum ‚großen Sprung‘ in die „Aufrüstung des Dorfes“ nach dem Krieg angelegt. Anders als die Ölfruchtanbauoffensive, die den marktgewandten Unternehmer als produktiven Güterproduzenten adressierte,
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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