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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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753Versuchsstation des völkischen Produktivismus die Kontur des Leitbildes des Landwirtschaftsgesetzes von 1960. Jenseits des ras- sistischen Extremismus trugen die agrarpolitischen Leitbilder vor und nach 1945 in Österreich  – wie auch in Deutschland, der Schweiz und anderen Staaten West- europas173  – ähnlich ambivalent-moderne Gesichtszüge. Zweitens erfassten die Pilot- und sonstigen Projekte der ‚nachholenden Moder- nisierung‘ die österreichische Agrargesellschaft nur zum Teil. Das völkisch-produk- tivistische Megaprojekt gewann am klarsten Gestalt in der institutionellen Matrix des Agrarsystems, die Faktor- und Produktmärkte sowie ländliche Alltagswelten einer  – zunehmend normalisierten  – Durchstaatlichung unterwarf. Gestützt auf Machtdispositive, die von der Fremdsteuerung durch das Herrschaftskollektiv des „Dritten Reiches“ bis zur Selbststeuerung des bäuerlichen Individuums reichten, suchte der nationalsozialistische Interventionsstaat den nationalen Agrarsektor gemäß dem völkisch-produktivistischen Leitbild wie einen Hof zu führen. Dabei verband sich das Wohlfahrtsversprechen, von dem nach „rassischen“ oder anderen Maßstäben Ausgeschlossene ausgenommen waren, mit dem Leistungsanspruch, an dem die Angehörigen der „(Land-)Volksgemeinschaft“ gemessen wurden. Wäh- rend die agrarinstitutionelle Revolution weit voranschritt, blieb die agrartechnische Revolution in Ansätzen stecken. Zwar sprangen Pionierbetriebe in Gunst- und Ungunstlagen sowie anfänglich auch der Hauptstrom der Betriebe auf die staatlich geförderte Technisierungswelle auf. Doch der Vorrang des militärisch-industriellen Komplexes ab der Kriegswende 1941/42 entzog dem Agrarsektor die zur nachhal- tigen Leistungssteigerung nötigen Ressourcen. Das NS-Regime beabsichtigte in der Ostmark zwar eine „totale Neuordnung“ der Landwirtschaft unter völkisch-produktivistischen Vorzeichen  – und damit die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aufgeworfene „Agrarfrage“ in der Industriegesellschaft endgültig zu lösen.174 Doch durchschlagende Wirkung entfaltete dieses Megaprojekt vor allem auf der institutionellen, kaum jedoch auf der technischen Ebene des Agrarsystems. Kurz, die Agrarmodernisierung in der Ostmark war zwar weitgehend intendiert, aber nur partiell wirksam. Eine „Grüne Revolution“ im vollen, institutionellen und technischen Sinn vermochte der NS- Agrarapparat, trotz erheblicher Anstrengungen, in den Alpen- und Donaureichs- gauen nicht in Gang zu setzen. Gleichwohl bildete die NS-Ära eine gleichsam ‚vorrevolutionäre‘ Schwellenzeit, die dem  – ab 1948 durch die US-amerikanische Marshallplanhilfe zusätzlich befeuerten  – technischen Take Off der österreichi- schen Agrarrevolution tragfähige Institutionen hinterließ. Alles in allem verfehlte der Nationalsozialismus in der Ostmark den ‚großen Sprung‘ in den völkischen Produktivismus ; doch er stieß unumkehrbare ‚kleine Schritte‘ in Richtung des produktivistischen Übergangs an. Insofern verbindet die intentional-partielle Ag- rarmodernisierung in der NS-Ära eine Wahlverwandtschaft mit der funktional-
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Schlachtfelder
Subtitle
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Author
Ernst Langthaler
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2016
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
948
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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