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„Übrigens ist jede Methode bestreitbar, und keine allgültig.
Jedes betrachtende Individuum kömmt auf seinen Wegen,
die zugleich sein geistiger Lebensweg sein mögen,
auf das riesige Thema zu, und mag dann diesem Weg gemäß
seine Methode bilden.“
Jacob Burckhardt1
2. ZUR METHODE
Gegenstand der Analyse sind schriftliche Zeugnisse, die unterschiedliche
Textsorten vertreten, keineswegs nur die klassischen Akten. Paradoxer-
oder sinnigerweise war es ein Autor, in dessen Berufsleben das Produzieren
von Akten essentiell war, der auf den Wert dessen, „was nicht in den Akten
steht“, aufmerksam gemacht hat: Der Jurist Franz Brandl, ein guter Kenner
der Geschichte Österreichs, von Oktober 1932 bis März 1933 Wiener Poli-
zeipräsident, ein besorgter Beobachter der Parlamentskrise von 19332, setzte
sich zum Ziel, dieses „für den Geschichtsschreiber aufzubewahren und für
dessen Gebrauch auch das Aktenmäßige so wiedererstehen zu lassen, wie es
erlebt wurde“.3
2.1 Der diskursanalytische Ansatz
Der großzügige Umgang mit den Textsorten trägt einem seit den sechziger
Jahren im angloamerikanischen Raum artikulierten neuen Verständnis von
Geistes- und Ideengeschichte Rechnung, demzufolge es darum gehe, nicht
große Einzelleistungen von vermeintlich zeitloser Gültigkeit, sondern gesell-
schaftliche Kontexte und die Verstrickung von Ideen mit sozialen Interessen
zu untersuchen.4 Überzeugt davon, dass sich die Kapazitäten einer Epoche
nicht nur aus der olympischen Perspektive der Verfasser klassischer Texte
ermitteln ließen („Höhenkammforschung“), richtete man das Augenmerk auf
eine mittlere Textebene, welche die großen Denker besser verstehbar ma-
che5: Bei den Verfassern solcher Texte sei weniger als bei jenen mit Manipu-
1 Jacob burcKhardt, Über das Studium der Geschichte, 135.
2 necK, 1918, 69 f.; tálos, Das Herrschaftssystem, 238 und 540.
3 brandl, Kaiser, 9; zum Quellenwert von Texten mit nicht normierten Formen vgl. land-
wehr, Historische Diskursanalyse, 115.
4 sKinner, Bedeutung, 84; PococK, The Concept, 96; vgl. bevir, Geist, 206 f.; hellmuth/von
ehrenstein, Intellectual History, 151–153.
5 PococK, The Concept, 99–103; vgl. bödeKer, Ausprägungen, 19; daniel, Kompendium, 347;
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580