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den ersten Blick, denn ein Schulmeister rät dem Ziehvater: „Ein besonderer
Mensch will auch besonders angefasst sein, lieber Meister, das entspricht
der Ordnung der Welt.“ Diese Ordnung war für Henz eine aristokratische,
von Gott bestimmte: „Es gibt Aufgaben, die vom Geburtsstatus legitimiert
sind.“19
Im Folgenden werden zunächst – nach einem Exkurs über Othmar
Spanns Verständnis des Begriffs „Stand“ – die einschlägigen Äußerungen
der Mandatare und anderer Gewährsleute erfasst; anschließend wird das
von ihnen gezeichnete Bild der beiden sozialen Schichten, in denen sich –
wegen des hohen Stellenwerts personaler Beziehungen20 – ständische Eigen-
schaften am reinsten erhalten haben und denen deshalb in konservativen
Kreisen seit dem 19. Jahrhundert gesamtgesellschaftliche Vorbildfunktion
bescheinigt wurde21, Adel und Bauerntum, analysiert; am Ende steht die
Auseinandersetzung mit Lebenskreisen, denen ebenfalls ständischer Cha-
rakter bescheinigt wurde, nämlich Familie22 und Heimat/Nation. Alle diese
„Stände“ bzw. an ständisches Denken gebundenen Lebenskreise sind in
hohem Maß durch ihr Bekenntnis zu den bereits analysierten personalen
Werten definiert. Vom „Berufsstand“ soll zunächst nicht die Rede sein. Denn
auch auf der theoretischen Ebene war das Bild desselben als des einzigen
möglichen Stands in den dreißiger Jahren keineswegs scharf23, er galt als
eine Art Hilfsbegriff.
6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann
Othmar Spann band den Stand in ein philosophisches System ein (Kap. 3.2).
Eine von dessen tragenden Säulen ist das Begriffspaar „Ganzheit – Gezwei-
ung“. Die Ganzheit sei das von einem apriorischen Weltplan beherrschte
Bildungsgesetz aller Einzelphänomene. Es gebe keine Summierung von Tei-
len, die schon vor der Zusammensetzung bestünden, sondern die Teile „wer-
den“ aneinander durch Ausgliederung. Die Gezweiung beschrieb Spann als
komplementäre Form der Gegenseitigkeit, auch „Mitgedachtheit“: Als sitt-
liche Beziehung zwischen zwei aufeinander hingeordneten Teilen sei sie die
Voraussetzung des Menschen als geistiges Wesen. Das Ganze sei mehr als
die Summe der Teile; es stelle sich in den Gliedern dar, denen gegenüber es
19 Zit. nach wöGerer, Innere Emigration, 107.
20 mannheim, Konservatismus, 83.
21 menninG, Adel, 179–181.
22 Zur Bedeutung der Familie für den Stand vgl. menninG, Adel, 178 und 192 f.
23 mayer-tasch, Korporativismus, 75 f.
6.2 EXKURS: „STAND“ BEI OTHMAR SPANN 303
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580