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für die Gesamtheit sei, so sei auch die Steuer keine vertragsmäßige Leis-
tung für die vom Staat gewährten Vorteile, sondern „ein Opfer, welches der
Einzelne im Interesse der Allgemeinheit zu erbringen hat“.69 Bundeskanzler
Schuschnigg bekundete 1937, er sei „überzeugt, auch wenn wir den berufs-
ständischen Aufbau vollendet und die Ständeautonomie auf weitestem Ge-
biet verwirklicht haben werden, [...] wird man immer noch des regulierenden
Faktors ‚Staat‘ und seines Einflusses bedürfen, um in verschiedenen Fragen,
die sonst nicht zu lösen sind, die mittlere Linie zu finden“.70
Bei aller Wichtigkeit, die dem Staat bescheinigt wurde, fehlte nicht das
Gefühl für dessen Grenzen. Unter Berufung auf Papst Leo XIII., der den
Staat als etwas naturrechtlich Begründetes betrachtete („Der Mensch ist äl-
ter als der Staat“, RN71), stießen Dietrich von Hildebrands aus personalisti-
schem Denken heraus geäußerte Vorbehalte gegen „Staatsvergötzung“ auf
breite Zustimmung.72 Kaum anschließen wollte man sich Hegel73, der mit
seiner Überschätzung des Staates Kommunismus, Faschismus und Natio-
nalsozialismus den Weg bereitet habe.74 Diese totalitären Systeme seien dem
Irrtum erlegen zu glauben, Autorität könne verordnet und Führer könnten
ernannt werden. Als Christ forderte der Herausgeber des CS „demütige Er-
kenntnis der Grenzen des Staates und seiner Mission, […] Ehrfurcht und
peinliche Respektierung anderer Gemeinschaften und ihrer Sendung“.75
8.3 Das Subsidiaritätsprinzip
Nicht die Aufgaben des Staates als solche, sondern die Art, wie er diesen am
besten gerecht werde, mussten daher zum Thema werden. Die auf Wahrung
des Respekts vor der einmaligen, unantastbaren und durch nichts und nie-
manden vertretbaren menschlichen Person bedachten Denker, die sich da-
rum bemühten, die verhängnisvollen Folgen des Individualismus zu verhin-
dern, ohne die Individualität zu missachten, und das Verhältnis zwischen
Staat und Gesellschaft verantwortungsvoll auszuloten, fanden das Krite-
rium, nach dem der Staat sein Eingriffsrecht geltend machen könne, im Sub-
69 stiGleitner, Finanzwissenschaft, 33–35.
70 K. schuschniGG, Österreichs Erneuerung, 102.
71 roos, Die Sozialenzykliken, 136–138.
72 connelly, From Enemy, 110.
73 Zu ihm vgl. Gall, Von der ständischen, 38.
74 v. hildebrand, Memoiren, 13; zu den Erscheinungsformen des Totalitarismus vgl. auch
Paxton, Anatomie, 308–312; streitenberGer, Leitbild, 157.
75 v. hildebrand, Memoiren, 180 f.; ähnlich LThK/I 9 (1937), 745–748 (A. scharnaGl).
8. STAAT UND
GESELLSCHAFT494
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580