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„Menschen ohne Staaten sind denkbar –
Staaten ohne Menschen sind undenkbar.“
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi1
8. STAAT UND GESELLSCHAFT
Die im 18. Jahrhundert erfolgte Trennung von Staat und Gesellschaft ge-
hört zu den Strukturmerkmalen des modernen Staates.2 Theoretiker wie
Karl Freiherr von Vogelsang, die die Wiederherstellung einer Gesellschaft,
die sich mit dem Staat decke, für möglich hielten und daher mittelalterliche
Denkkategorien reaktivierten, wurden bald zur Minderheit.3 In der Krise
der Demokratie in der Zwischenkriegszeit gewann die Frage aber neuerlich
Aktualität; in der CSP setzte sich eine annähernd gleichwertige Veranschla-
gung von Staat und Gesellschaft durch – mit einer Tendenz zur Höherbewer-
tung der Gesellschaft.4
Walter Adam sprach 1934 von einer starken Entfremdung zwischen dem
Staat und breiten Schichten der Bevölkerung. Die Ursache fand er im Libe-
ralismus, der den Staat lediglich als ein „notwendiges Übel, eine äußerliche
Schutz- und Hilfsanstalt“, eine „Anstalt zur Sicherung des Privatlebens“ be-
trachtet habe, nicht aber als einen „sittliche(n) Begriff und eine gottgewollte
Autorität“.5 Er wünschte nicht den Staat der Aufklärung „mit dem Stolz des
Prometheus“ (E. Hanisch)6, in dessen „Trotz“ (O. Spann) der Individualismus
gedieh.7 Sein Ideal war die im LThK/I beschriebene „christliche Staatsauf-
fassung“, nämlich „die rechte Mitte zwischen dem Staatsabsolutismus frü-
herer Zeiten, der kein natürliches Recht der Einzelperson anerkannte, und
dem Liberalismus, der die Freiheit des Einzelnen auf Kosten des Gemein-
wohls übersteigerte“.8 Max Schelers Auffassung vom Staat kommt diesem
Konzept nahe.9
1 coudenhove-KalerGi, Totaler Mensch, 13.
2 brunner, Die Freiheitsrechte, 187 f.
3 allmayer-becK, Konservatismus, 41; GG 6 (1990), 248 (Stand/Klasse, R. walther); Kun-
schaK, Werden, 5–8; diese Vorstellung war für populärwissenschaftliche Darstellungen ge-
eignet; moth, Neu-Österreich, 88.
4 lacKner, Die Ideologie, 84.
5 CS 23. 12. 1934 (W. adam).
6 hanisch, Konservatives und revolutionäres Denken, 247.
7 sPann, Der wahre Staat, 15.
8 LThK/I 9 (1937), 745–748 (A. scharnaGl).
9 fröhlich, Der Bürger, 111.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580