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auch hier fand der Nationalsozialismus viel Zuspruch.543 Leopold von And-
rian fand die Gründe im 19. Jahrhundert, als der österreichische Mittelstand
„nach Sein und Bewusstsein“ hinter anderen Ständen zurückgeblieben sei.544
Die Angestellten waren eine keineswegs homogene Schicht, und Handwer-
ker, Kleinhändler sowie die Betreiber kleiner und mittlerer Gewerbe hatten
es schwer, einen ökonomischen Mindeststandard zu erreichen.545 Die zur Gel-
tung kommenden politischen Maximen waren nicht nur wirtschaftlicher Na-
tur, sondern entsprangen auch weltanschaulicher Prinzipientreue. Im Mittel-
stand verdichteten sich die zeittypischen mit wirtschaftlicher und moralischer
Wertschätzung verbundenen Erwartungen an Harmonie und Stabilität.546 In
den zwanziger Jahren war der Begriff zum Ausdruck eines Bekenntnisses
geworden, das sich auf Arbeit, Standesbewusstsein und Gesinnung stärker
stützte als auf vermögensrechtliche Merkmale.547 Daher lag es nahe, der Sozi-
aldemokratie den Willen zur Aushöhlung des Mittelstands zuzuschreiben.548
Für den konservativ-liberalen Ökonomen Wilhelm Röpke war eine breite, mit
angemessener Selbstbestimmung ausgestattete Mittelschicht, zu der er ne-
ben Bauern und Handwerkern auch eine Bildungselite, nicht aber Großunter-
nehmer und städtische Arbeiter zählte549, der beste Garant der Demokratie550,
während er einen modernen Wohlfahrtsstaat, der die Familie zum „Gegen-
stand der Einkommenspumpmaschine des Leviathans“ mache, ablehnte.551
6.6 Die Familie
Standesgemäße Ehen
Franz Karl Ginzkey konkretisierte den Begriff „standesgemäß“: Als sich in
einem Roman die Notwendigkeit einer raschen Eheschließung ergibt, bürgt
sein Protagonist dafür, dass das Mädchen „aus guter Familie“552 ist. Leopold
543 K. bauer, Elementarereignis, 158.
544 v. andrian, Oesterreich, 373.
545 urbanitsch, Die Deutschen, 144–147; für die Weimarer Republik vgl. P. nolte, Ständische
Ordnung, 234.
546 GG 4 (1978), 90 (Mittelstand, W. conZe).
547 falle, Wurzeln, 62; P. nolte, Die Ordnung, 177 f.
548 brandl, Kaiser, 117.
549 mooser, Liberalismus, 149.
550 habermann, Das Maß, 36.
551 schüller, Wirtschaftshumanismus, 164.
552 GinZKey, Jakobus, 192. 6.
STANDESBEWUSSTSEIN354
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580