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„Das Freiheitsideal fordert den totalen Menschen.“
Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi1
5. DER MENSCH IST PERSON2
Das Trauma des Ersten Weltkriegs und die dadurch bedingten politischen
und gesellschaftlichen Umbrüche lösten bei vielen Zeitgenossen Reaktionen
aus, die zu einem umfassenden Überdenken zentraler Fragen des Lebens
führten.3 Die Vorbehalte gegen die neue Zeit waren groß, wie die im vorigen
Kapitel beschriebene Wahrnehmung durch qualifizierte Beobachter zeigt.
Für sie stand außer Zweifel, dass der Umbruch nicht partiell, gleichsam nur
äußerlich wirksam werden würde, sondern den Menschen auch in Tiefen-
schichten erfasste, die sein Wesen ausmachen.4
5.1 Für Freiheit und Menschenwürde
Bei vielen Zeitgenossen weckte die Erfahrung der Herauslösung des Indi-
viduums aus den Zusammenhängen der traditionalen Gesellschaft und der
Einordnung in anonyme Apparate mit neuen, schwer durchschaubaren For-
men der Abhängigkeit5 den Wunsch nach einer Gesellschaftsordnung, „die in
harmonischer Gliederung von dem unbezweifelbaren Rechts- und Freiheits-
bereich der Persönlichkeit über Familie und andere kleinere Gemeinwesen,
vor allem ständischen Charakters, zur Hoheit der staatlichen Autorität em-
por führt“.6
Eine philosophische Heimat fanden sie seit den zwanziger Jahren im so-
genannten Personalismus. Diese Strömung, die das Wesen des Menschen in
seiner Person erkannte, gründete auf der Einsicht, dass Freiheit und Men-
schenwürde wieder auf ein sicheres Fundament gestellt werden müssten.7
Dem entspricht Otto von Habsburgs Gleichsetzung der Rechte der Person
1 coudenhove-KalerGi, Totaler Mensch, 101.
2 Der Titel lehnt sich an das gleichnamige Werk von Heinrich Schmidinger an, dem die vor-
liegende Arbeit insgesamt in hohem Maß verpflichtet ist.
3 LK, 319–321 (C. v. schrencK-notZinG); seefried, Reich, 113 f.
4 Prägnante Formulierungen etwa im CS 24. 12 1933 (K. schuschniGG).
5 senft, Im Vorfeld, 54; vertiefend heer, Europäische Geistesgeschichte, 590 f.; horKheimer/
adorno, Dialektik, 4.
6 R. schmitZ, Der Weg, 10.
7 belardinelli, Die politische Philosophie, 243 f.; A. rauscher, Personalität, 7; rotter, Per-
son, 15–19; schmidinGer, Der Mensch, 9 und 29; tarmann, Die Personalität, 82.
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580