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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Stark vom Gedanken der Individualität geprägt war das Denken Franz Hör- burgers: Der Pädagoge lobte Johann Gottfried Herder dafür, dass er ihn für die Erziehungswissenschaft fruchtbar gemacht habe.41 Guido Zernatto betonte die Einmaligkeit geistiger Leistungen, die niemals als Ausdruck von Gesetzen „na- turwissenschaftlicher Art“ gedeutet werden dürften42, ein genuin konservativer Gedanke.43 Eine Gefahr für die Individualität sah er im Nationalsozialismus, weil dieser nicht die Reife der Einzelkräfte, sondern die Durchführung eines Zentralprogramms wünsche: „Er sieht nicht die Vielfalt der Blumen auf seiner großen Flur, sondern nur das gleiche Gras.“44 Ähnlicher Metaphern bediente sich Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi45, der folgerte: „jedes Schematisie- ren von Natürlichem sucht Lebendiges durch Totes, Organisches durch Mecha- nisches, Wandelbares durch Starres adäquat auszudrücken.“46 Die politischen Konsequenzen benannte Julius Raab mit besonderem Bezug zu Österreich: Die „totale Beherrschung des Menschen durch eine Partei“ sei der „Wesenart“ der Bewohner dieses Landes entgegengesetzt; er könne sich „mit dem Gedanken, in einem totalen Staat zu leben, einfach nicht vertraut machen“.47 Eduard Tomaschek nannte die Österreicher „zum Unterschied von den Deutschen im Reiche draußen ein Volk von Individu- alisten, kein Herdenvolk. Und wir verlangen auch in der Beurteilung der einzelnen Rechtsfälle eine gewisse Individualisierung“. Diesen Satz sprach er in Zusammenhang mit seinen Überlegungen zur Verwaltungsreform, wo- bei er den Wunsch äußerte, die Gesetzestechnik möge sich vom „preußischen Formalismus“ befreien.48 5.3 Freiheit und Ordnung Äußere Bindung und innere Freiheit Prägend für den Personalismus ist das Bekenntnis zur Freiheit. Hiermit ist nicht die 1789 intendierte Herauslösung des Einzelnen aus Bindungen, und wirtschaftlicher Tatsachen und Ideen, aus denen ein souveräner Staat seine Existenz- berechtigung ableitet“; adam, Staatsidee, 43. 41 hörburGer, Geschichte, 94. 42 Zernatto, Vom Wesen, 117. 43 hanisch, Konservatives und revolutionäres Denken, 25. 44 Zernatto, Die Wahrheit, 35; Zimmer, Guido Zernatto, 106; ähnlich taucher, Gedanken, 24. 45 coudenhove-KalerGi, Totaler Mensch, 101. 46 coudenhove-KalerGi, Adel, 7; vgl. ZieGerhofer-Prettenthaler, Botschafter Europas, 373. 47 raab, Selbstporträt, 113. 48 tomascheK, Die nächsten Aufgaben, 8. 5.3 FREIHEIT UND ORDNUNG 215
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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