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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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117 Ende 1893 erscheint in der Österreichischen Illus- trirten Zeitung ein Foto des österreichischen Abgeord- netenhauses (Abb. 1).1 Es ist das erste Zeitungsfoto, das das Parlament von innen zeigt. Wir sehen zehn Männer, die auf der Galerie des Reichsrats Platz ge- nommen haben. Alle sind sorgfältig gekleidet, sie ver- folgen das Geschehen im tiefer liegenden Sitzungs- saal. Einige haben Papier und Schreibzeug vor sich liegen, andere scheinen aufmerksam zuzuhören. Doch irgendetwas stimmt mit diesem Bild nicht. Wenn wir die Szene etwas genauer betrachten, stoßen wir auf eine ganze Reihe von „Ungereimtheiten“. Die Größen- verhältnisse der Säulen im Hintergrund und der Kör- per einiger der Männer stimmen nicht überein. Letz- tere sind im Vergleich zur Architektur viel zu groß. Die Figuren haben etwas Schablonenhaftes an sich, ihre Konturen sind scharf voneinander getrennt. Wäh- rend die architektonischen Details mit wachsender Entfernung an Schärfe verlieren, sind die Gesichter der Männer annähernd scharf gezeichnet. Allmählich wird klar: Es handelt sich um eine Fotomontage. Obwohl das Bild namentlich nicht gekennzeichnet ist, lässt sich sein Urheber zweifelsfrei identifizieren: Es ist Siegmund Schneider. Der Journalist, Fotograf, Grafiker und Zeichner arbeitet bei der wenige Mo- nate zuvor gegründeten Österreichischen Illustrirten Zeitung.2 Er hat ein ausgezeichnetes grafisches Ge- spür und lotet das Bildmedium Fotografie nach allen Richtungen hin aus. Die Fotografie ist für ihn kein rein dokumentarisches Mittel der Berichterstattung. Es geht ihm nicht um Authentizität, sondern um dra- maturgische Effekte. Daher unterzieht er die Fotos häufig einer oft aufwendigen grafischen Bearbeitung. Bekannt wird Schneider mit seinen „Photo-Composi- tionen“. Das sind komplexe, handwerklich sehr gut gemachte, mithilfe von Schere und Klebstoff herge- stellte Fotomontagen, die in der Regel bekannte Pro- tagonisten (etwa den Kaiser, bekannte Schauspieler, Politiker usw.) im Freien oder in bekannten Interieurs zu lebendigen Gruppenszenen arrangieren. Die vor- liegende Montage ist – anders als viele andere Arbei- ten Schneiders – erst auf den zweiten Blick als solche erkennbar, sie ist daher auch nicht als „Photo-Compo- sition“ gekennzeichnet. Die Männer im Bild sind Journalisten. „An den beiden äußersten Enden der Galerie“, so heißt es im erklärenden Text zum Bild, „oberhalb den amphithea- tralischen Sitzreihen im österreichischen Abgeordne- tenhause, sind den Berichterstattern der Presse zwei große Logen eingeräumt. Zur Rechten vom Präsidium, in der Loge unmittelbar über den Bänken des Polen- clubs, haben die Provinz- und ausländischen Journale ihre Stammsitze. Auf der äußersten Linken aber oblie- gen die Vertreter der großen Wiener Residenzpresse ihrem schwierigen Dienste.“3 Was ist das Besondere an diesem Bild? Bisher fanden die Parlamentsdebat- Theater der Macht · Parlament  und  Politik  in  Bildern 11 Abb. 1  Journalisten  verfolgen  von  der  Galerie  aus  eine  Sit- zung  im  österreichischen  Abge- ordnetenhaus.  Österreichische Illustrirte Zeitung,  11.  Dezember  1893,  S.  12.  Fotomontage:  Siegmund  Schneider.
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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