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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. - Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
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378 Als am 1. April 1934 die erste Nummer der neuen Wochenzeitung Der Sonntag erscheint, kommt das einer kleinen Sensation gleich. Erst wenige Wochen zuvor ist die sozialdemokratische Arbeiterbewegung in einem kurzen Bürgerkrieg vernichtend geschlagen worden. Alle noch verbliebenen oppositionellen Par- teien und Medien werden, wie berichtet, im Februar 1934 verboten. Am 1. Mai, tritt die austrofaschistische Verfassung in Kraft, die die Diktatur auch formell besiegelt. In dieser Phase des politischen Umbruchs, in der Zensur und Repression herrschen, kommt eine neue Illustrierte auf den Markt, die ganz und gar nicht in das diktatorische und reaktionäre Kli- ma des österreichischen „Ständestaates“ zu passen scheint. Der publizistische Mainstream weist – auch im Bereich der illustrierten Presse – in eine ganz andere Richtung. Die seit September 1933 erschei- nende Österreichische Woche etwa, die auflagenstar- ke Propagandaillustrierte der Regierung, steuert zur selben Zeit einen aggressiven patriotisch-konservati- ven Kurs. Auch zahlreiche andere illustrierte Blätter schlagen, ebenfalls unter dem Druck der Regierung und der herrschenden „ständestaatlichen“ Ideologie, eine konservative Richtung ein. Der Sonntag hingegen, der zwischen April 1934 und März 1938 erscheint, ist in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre die einzige österreichische Illustrierte, die sich nicht vor den Karren der regierungsnahen Heimattümelei spannen lässt und eine gewisse Dis- tanz zur offiziellen Staatsdoktrin wahren kann. Nicht nur das: Sie ist inhaltlich zum großen Teil anspruchs- voll und grafisch durchweg hervorragend gemacht. Das Layout ist klar und modern. Schon die Titelsei- ten bringen den Geist der Zeitschrift zum Ausdruck (Abb.1). Das große, ausdrucksstarke, meist abfallend gedruckte Titelfoto, in das der Titel, der Untertitel und hie und da ein kurzer Vorspann gesetzt sind, führt in eines der Heftthemen ein. Ebenso durchdacht und grafisch raffiniert ist die Gestaltung des Innenteils. Immer wieder macht der dreispaltig gesetzte Text Platz für dramaturgisch geschickt eingesetztes Bild- material. Oft werden die Figuren auf weißem Grund freigestellt, um auf diese Weise die Bildwirkung noch zu steigern. Der Sonntag hält sich von der politischen Tages- berichterstattung auffallend fern und meidet innen- politische Streitthemen. Stattdessen wendet er sich Bereichen zu, die unverdächtig sind. Er beschäftigt sich etwa mit Länderstudien und Reiseberichten, sozialen Themen und der Populärkultur, dem Alltag, der Freizeit und der Unterhaltung. Immer wieder erscheinen allerdings auch gesellschaftspolitische Berichte über die Situation in den Nachbarländern, nur das nationalsozialistische Deutschland wird auffallend ausgespart.1 Bei außenpolitischen The- men bewegt sich die Redaktion auf weniger glattem Parkett. Daher äußert sie ihre Sympathie – meist zwischen den Zeilen – etwa für die demokratischen Regierungen in Frankreich und in der Tschechoslo- wakei. Sie zeigt sich auch besorgt über die Militari- sierung der Gesellschaft in Italien und die drohende Kriegsgefahr in Europa. Trotz aller innenpolitischen Zurückhaltung gelingt es der Redaktion, auch in scheinbar randständigen und kleinen Themen die Grundstimmung der Zeit aufmerksam zu registrie- ren. Der Sonntag betreibt, so könnte man sagen, eine Art fotografisches Feuilleton, das in der unvoreinge- nommenen Betrachtung von Details einen Blick auf das Ganze ermöglicht. Der Sonntag ist kein Forum offener politischer Subversion. Das ist unter den Bedingungen der Dikta- tur auch kaum zu erwarten. Vielmehr praktiziert die Zeitschrift eine vorsichtige Gratwanderung zwischen tagespolitischer Enthaltsamkeit, punktuellem Entge- genkommen gegenüber dem Regime und leiser Op- position. Auf diese Weise gelingt es der Zeitung, von der Zensur weitgehend unbehelligt zu bleiben. Keine der 207 Nummern, die bis Anfang 1938 erscheinen, Fotografisches Feuilleton · „Der Sonntag“: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie28
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Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Rasende Reporter: Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus.
Untertitel
Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945
Autor
Anton Holzer
Verlag
Primus Verlag
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-86312-073-3
Abmessungen
23.0 x 29.0 cm
Seiten
498
Schlagwörter
Fotojournalismus, Pressefotografie, Fotografie, Fotografiegeschichte, Mediengeschichte, Kulturgeschichte, Populärkultur, Österreich
Kategorie
Medien

Inhaltsverzeichnis

  1. Auf den Spuren der rasenden Reporter Vorwort 7
  2. Neue illustrierte Welt Einleitung 10
  3. Bilder, Nachrichten, Sensationen Die Zeitungsstadt Wien um 1900 22
  4. Die Jagd nach Sensationen Pioniere der Pressefotografie 36
  5. Fotos statt Zeichnungen Das Entstehen einer fotografischen Öffentlichkeit 51
  6. Bild und Text Die Rhetorik der Zeitungsseiten 59
  7. Redaktion, Druck, Vertrieb Wie eine illustrierte Zeitschrift entsteht 70
  8. Im Rampenlicht Der Kaiser im Blick der Fotografen 77
  9. Als die Männer fliegen lernten Die ersten Wiener Flugschauen 91
  10. Mit der Kamera bewaffnet Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg 105
  11. Theater der Macht Parlament und Politik in Bildern 117
  12. Kampf um die Straße Demonstrationen, Kundgebungen und Massenpolitik 134
  13. Im Schatten der Konzerne Politische Illustrierte in der Zwischenkriegszeit 145
  14. Bilder für alle Die Welt der Magazine und Revuen 170
  15. Bilder als Propaganda Die illustrierte Regierungspresse nach 1934 194
  16. Erzählende Bilder Die moderne Fotoreportage in der Zwischenkriegszeit 203
  17. Handel mit Bildern Die Rolle der Fotoagenturen 234
  18. Politische Bilder Die Kultur der Arbeiterfotografie 248
  19. Amerika, ein Traum Wolkenkratzer und Tiller Girls 263
  20. Bubikopf und Zigarette Bilder der „Neuen Frau“ 277
  21. Experiment und Bewegung Tanzschritte in eine neue Zeit 286
  22. Wenn die Hüllen fallen Erotik, Sexualität und Nacktfotografie in der Zwischenkriegszeit 296
  23. Schöne neue Warenwelt Reklame und Mode in der Fotografie 304
  24. Dramatische Nähe Sport und Fotografie 317
  25. Frauen hinter der Kamera Die neuen Fotografinnen 331
  26. Die kurze Zeit der Avantgarde Fotografische Aufbrüche um 1930 344
  27. Landschaft, Berge, Brauchtum Heimatfotografie in den 1930er Jahren 363
  28. Fotografisches Feuilleton „Der Sonntag”: ein vergessenes Forum moderner Reportagefotografie 378
  29. Demagogie in Bildern Hitler in Österreich 1938 411
  30. Den Krieg vor Augen Nationalsozialistische Medienpolitik und Ästhetik 419
  31. Eine andere Kulturgeschichte Schluss 437
  32. Anhang
    1. Anmerkungen 446
    2. Fotografinnen und Fotografen 1890 bis 1945 Biografische Notizen 466
    3. Literatur 483
    4. Zeitungen und Zeitschriften 490
    5. Index 491
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